PFAS im Menschen

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Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) sind thermisch und chemisch sehr stabil und reichern sich in der Umwelt und dem Menschen an. Mittels Human-Biomonitoring ist es möglich, die individuelle Belastung des Menschen durch PFAS zu bestimmen. Im Folgenden wird ein Überblick über das toxikologische Profil dieser Substanzgruppe gegeben und es werden die vom Umweltbundesamt durchgeführten Human-Biomonitoring-Studien vorgestellt sowie Möglichkeiten einer Beurteilung der gemessenen Werte aufgezeigt.
Mit der Nahrung oder dem Trinkwasser aufgenommene PFAS werden vom Menschen wie auch vom Säugetier weitgehend resorbiert und hauptsächlich im Plasma (in dem sie überwiegend an Albumin gebunden sind), in der Leber und der Niere verteilt. Perfluorsulfonsäuren ebenso wie Perfluorcarbonsäuren werden nicht metabolisiert und werden im Urin sowie mit dem Kot ausgeschieden. Jedoch können Vorläufersubstanzen in Perfluorsulfon- und Perfluorcarbonsäuren umgewandelt werden. Beim Menschen betragen die Halbwertszeiten für kurzkettige PFAS (wie Perfluorbutansäure (PFBA), Perfluorbutansulfonsäure (PFBS) und Perfluorhexansäure (PFHxA)) einige Tage bis zu etwa einem Monat, während diese für Verbindungen mit langer Perfluoralkylkette (wie Perfluoroktansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA), Perfluordecansäure (PFDA), Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) oder Perfluoroctansulfonsäure (PFOS)) mehrere Jahre betragen können [1-5].
Die gesundheitlichen Auswirkungen von PFAS wurden in einer Vielzahl von tierexperimentellen und epidemiologischen Studien erforscht, die sich hauptsächlich auf PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA beziehen [4, 6-8].
In Tierstudien mit wiederholter Verabreichung wurde für verschiedene PFAS ein erhöhtes Lebergewicht der Versuchstiere beobachtet, jedoch mit deutlichen Unterschieden in den relativen Potenzen der Stoffe. Störungen des Lipidstoffwechsels waren meist bei höheren Dosierungen erkennbar. Viele PFAS senkten den Spiegel der Schilddrüsenhormone T4 und T3. Der empfindlichste durch PFOA hervorgerufene Entwicklungseffekt war eine beeinträchtigte Entwicklung der Brustdrüsen bei Mäuse-Nachkommen nach Exposition der Muttertiere in der späten Schwangerschaft. Andere, mit verschiedenen PFAS durchgeführte Studien zur Entwicklungstoxizität bei Nagetieren zeigten bei deutlich höheren Konzentrationen erhöhte fetale und / oder neonatale Mortalität sowie eine Verringerung des fetalen Gewichts. PFOS und PFOA übten darüber hinaus bei Nagetieren neurotoxische Wirkungen auf die Entwicklung aus. Für PFNA und PFDA werden Auswirkungen auf männliche Fortpflanzungsparameter berichtet. Es wurde zudem in experimentellen Studien am Tier gezeigt, dass PFOS und PFOA eine verringerte Reaktion auf Impfungen verursachten (T-Zell-abhängige Antikörperantwort) und PFOS darüber hinaus eine verringerte Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen bewirkte. Aus Gentoxizitätsstudien gibt es keine eindeutigen Hinweise auf einen direkten genotoxischen Wirkmechanismus von PFOS oder PFOA. Es gibt aber einige Hinweise darauf, dass PFOS und PFOA oxidativen Stress verursachen [4]. Verfügbare Langzeit-/Kanzerogenitäts-Studien zeigen, dass PFOS und PFOA Tumorpromotoren in der Nagetierleber sind und dass PFOA Leydig-Zelltumoren bei Ratten induzieren kann [4].
Die Epidemiologie befasst sich mit der Häufigkeit von Krankheiten, Gesundheitsstörungen oder anderen gesundheitsbezogenen Merkmalen in (Gruppen) der Bevölkerung und deren möglichen Ursachen. Für entsprechende Auswertungen werden statistische Methoden zur Anwendung gebracht. Bezüglich PFOS und PFOA liegen zahlreiche epidemiologische Studien vor. Diese lassen den Schluss zu, dass diese Stoffe eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken können. Einige der Studien legen außerdem nahe, dass erhöhte Serumspiegel von PFOS und PFOA mit einer erhöhten Infektionsneigung verbunden sein können. Es liegen darüber hinaus eindeutige Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber PFOS, PFOA und PFNA und erhöhten Serumspiegeln von Cholesterin vor. Weitere epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass möglicherweise ein kausaler Zusammenhang zwischen einer PFOS- und PFOA-Exposition und dem Geburtsgewicht besteht [4]. Im Gegensatz zu den Tierversuchen zeigen epidemiologische Studien nur eine unzureichende Evidenz für Zusammenhänge zwischen einer Exposition gegenüber PFAS und der neurologischen Entwicklung, der Schilddrüsenfunktion [4] oder einem erhöhten Krebsrisiko (no evidence [4], limited evidence [9]).
Mittels Human-Biomonitoring kann die individuelle PFAS Körperlast des Menschen bestimmt werden. Hierbei werden anlassbezogen oder im Rahmen repräsentativer Studien wie der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) [10] Humanproben, im Falle von PFAS Blutproben, untersucht, um Erkenntnisse zur Belastung zu gewinnen.
In GerES V (2014-2017) wurden Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren auf 12 PFAS untersucht. 3 der Verbindungen (PFOS, PFOA, PFHxS) waren im Blut des Großteils der Teilnehmenden nachweisbar (PFOS sogar in praktisch allen Kindern und Jugendlichen). Es zeigte sich, dass bei zwei Drittel der jungen Bevölkerung Deutschlands mindestens 3 PFAS gleichzeitig im Blut nachweisbar sind. Darüber hinaus überschritten 21,1 % der Teilnehmenden den HBM I-Wert für PFOA und 7,3 % der Kinder und Jugendlichen überschritten den HBM-I-Wert für PFOS. Davon überschritten 0,2 % außerdem den HBM-II-Wert für PFOS [11]. In 2024 wurde die Probensammlung für GerES VI mit Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren abgeschlossen. Die Blutproben werden auf 28 PFAS untersucht.
Untersuchungen in Proben der Umweltprobenbank des Bundes von 20-29jährigen Studierenden zeigen vor allem für die Stoffe PFOA und PFOS abnehmende Trends seit dem Höhepunkt der Belastung in den späten 80ern [12,13].
Darüber hinaus erfolgte 2017-2022 im Rahmen der Initiative HBM4EU [14] eine europaweite Harmonisierung von Nachweismethoden sowie von Verfahren zur Datenerhebung und -auswertung, so dass Messergebnisse künftig besser vergleichbar sein werden und, sofern erforderlich, auf europäischer Ebene für die Politikberatung herangezogen werden können.
Um Human-Biomonitoring Ergebnisse zu beurteilen, können Vergleichswerte herangezogen werden, die die Hintergrundbelastung abbilden. Hierzu legt die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes das innerhalb des 95 %-Konfidenzintervalls gerundete 95. Perzentil repräsentativer Messwerte als sogenannten Referenzwert fest. Dieser statistisch abgeleitete Referenzwert kann als Maßstab dafür dienen, ob Einzelpersonen oder Personengruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhte Werte aufweisen und somit einer höheren Umweltbelastung ausgesetzt sind [15, 16]. Auf Basis der aktuellen Daten aus GerES V wurden neue Referenzwerte für Kinder bezüglich PFOA (Mädchen 3-11 Jahre: 3,3 μg/L; Mädchen 12-17 Jahre: 2,8 μg/L; Jungen 3-11 Jahre: 3,6 μg/L; Jungen 12-17 Jahre: 3,0 μg/L), PFOS (Mädchen 3-11 Jahre: 5,6 μg/L; Mädchen 12-17 Jahre: 5,9 μg/L; Jungen 3-11 Jahre: 6,3 μg/L; Jungen 12-17 Jahre: 5,7µg/L) und PFHxS (Mädchen 3-11 Jahre: 1,4 μg/L; Mädchen 12-17 Jahre: 0,91 μg/L; Jungen 3-11 Jahre: 1,4 μg/L; Jungen 12-17 Jahre: 1,0 μg/L) jeweils bezogen auf Blutplasma abgeleitet [15, 16]. Wichtig ist hierbei, dass Referenzwerte statistisch abgeleitet sind und keine Aussage über die Wirkung gemessener Stoffe oder deren Metaboliten zulassen.
Zur gesundheitsbezogenen Einordnung müssen die Messergebnisse mit Werten verglichen werden, die auf der Grundlage von toxikologischen und/oder epidemiologischen Untersuchungen abgeleitet wurden (in Deutschland: Human-Biomonitoring-Werte, HBM-I- und HBM-II-Werte) [17, 18]. Der HBM-I-Wert gibt die Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium an, bis zu der nach dem aktuellen Kenntnisstand und unter alleiniger Betrachtung der Einzelsubstanz entsprechend der Bewertung durch die HBM-Kommission nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist. Demgegenüber beschreibt der HBM-II-Wert eine Grenze (Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium), ab der nach heutigem Kenntnisstand eine für die Betroffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist, so dass dringender Handlungsbedarf zur Reduktion der Belastung besteht und eine umweltmedizinische Beratung zu veranlassen ist. Der HBM-II-Wert ist somit als Interventions- und Maßnahmenwert anzusehen [18]. Im Bereich zwischen HBM-I- und HBM-II-Wert sind gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Zeigen die Messungen eine Überschreitung des HBM-I- oder HBM-II-Wertes, so sollte mittels einer nachfolgenden Kontrolluntersuchung überprüft werden, ob eine anhaltende erhöhte Exposition vorliegt. Sollte dies der Fall sein, ist nach spezifischen Belastungsquellen zu suchen und für eine Verminderung der Belastung zu sorgen, dies gilt bei HBM-II-Wert-Überschreitungen unmittelbar.
Die HBM-Kommission hat für PFOA und PFOS die Ableitung von HBM-Werten vorgenommen und HBM-I-Werte in Höhe von 2 µg/L Blutplasma für PFOA und 5 µg/L Blutplasma für PFOS festgelegt [19, 20]. Die HBM-II-Werte betragen für Frauen im gebärfähigen Alter 5 µg PFOA/L Blutplasma und 10 µg PFOS/L Blutplasma sowie für die übrigen Bevölkerungsgruppen 10 µg PFOA/L Blutplasma und 20 µg PFOS/L Blutplasma. Die für die Bewertung herangezogenen humanepidemiologischen Studien wurden jeweils hinsichtlich der Studienqualität (Anlage der Studie, Stichprobe/Kohorte, Erhebungsmethodik, Analytik, Methodik der Auswertung, Berücksichtigung von zusätzlichen Einflussfaktoren) geprüft. Studien mit unzureichenden Daten oder Beschreibungen wurden in der weiteren Bearbeitung nicht berücksichtigt. Es wurden folgende Effekte für die HBM-II-Wert-Ableitung berücksichtigt [21, 22]:
Für einige der genannten Endpunkte, wie z. B. die humorale, d.h. durch Antikörper vermittelte, Immunantwort und die Geburtsgewichte, wurden gleichgerichtete Effekte im Tierexperiment gefunden. Diese Analogien zwischen Tierexperiment und Epidemiologie erhöhen die Plausibilität, relevante Effekte für die Bewertung gewählt zu haben. Die Wirkmechanismen, die den Assoziationen erhöhter PFOA- oder PFOS-Konzentrationen mit gesundheitlichen Effekten zugrunde liegen, sind derzeit nicht ausreichend aufgeklärt. Sowohl der HBM-I-Wert als auch der HBM-II-Wert für PFOA und PFOS beruhen auf einer Beurteilung des populationsbezogenen Risikos für Veränderungen der ausgewählten Wirkungsindikatoren. Das Risiko eines Individuums, in Folge seiner inneren PFOA- oder PFOS-Belastung eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erleiden, kann dabei nicht ausreichend sicher quantifiziert werden. Dessen war sich die HBM-Kommission bewusst. Sie wollte dennoch mit der Festlegung dieser Werte Orientierungspunkte für erforderliche bevölkerungsbezogene Maßnahmen setzen [21, 22].