Förderung der Robustheit und Vitalität von Nutztieren

Foto einer Transferpipette, mit der Kalb-Embryonen in einem Zuchtlabor aufgenommen werden.zum Vergrößern anklicken
Moderne Tierzucht

Bei der Zucht sollten gesundheitliche Merkmale verstärkt berücksichtigt werden.

Quelle: Lakeview Images / Fotolia.com

Die Genetik beeinflusst gesundheitsrelevante Merkmalskomplexe

Gesundheitsrelevante Merkmalskomplexe, wie Krankheitsresistenz, Vitalität, Stressresistenz und Adaptationsvermögen treten bei unterschiedlichen Rassen und Zuchtlinien mit einer großen Variationsbreite auf, unabhängig von bekannten Umwelteinflüssen. Gezielte Züchtung beeinflussen diese Merkmalskomplexe positiv. In einer Reihe von Zuchtprogrammen wird daran gearbeitet, Robustheit als Merkmal zu definieren und in die praktische Zuchtarbeit mit aufzunehmen.

Beispiele für neue Zuchtprogramme

Um Merkmale züchterisch zu beeinflussen, muss es für das Zielmerkmal eine genetische Variabilität geben. Die Aufnahme genomischer Zuchtwerte erfolgt in der Regel über Zuchtorganisationen. Bei der Zuchtwertschätzung spielen z. B. beim Milchrind sogenannte funktionale und für die Gesundheit relevante Merkmale, wie Zellzahl in der Milch, Fruchtbarkeit, Exterieur, Nutzungsdauer und Kalbeverlauf im Vergleich zur Leistung zunehmend eine größere Rolle. National und international gibt es Initiativen, die den Zuchtfortschritt durch eine breit gestreute Lerngruppe vorantreiben (z. B. KuhVision). In der Schweinezucht werden seit Jahrzehnten MHS (Malignes Hyperthermie-Syndrom-Tests zur Ermittlung der Stressanfälligkeit von Schweinen durchgeführt. Durch dieses molekularbiologische Verfahren ist eine exakte Erfassung der Träger dieser Erbanlage möglich.

Beispiele für die Berücksichtigung gesundheitlicher Merkmale bei der Zucht sind:

  • Stressanfälligkeit züchterisch reduzieren (z. B. bei der Schweinerasse Pietrain weitestgehend erfolgt).
  • Einkreuzen robuster Rassen für die Mast (z. B. Duroc-Eber bei der Schweinezucht).
  • Genetisch bedingte Variabilität der Eutergesundheit bei Milchkühen bei der Wahl des Bullen berücksichtigen.
Neugierig blickende Pietrain-Ferkel in einem Aufzuchtstall
Pietrain Ferkel

Bei der Schweinerasse Pietrain ist es weitestgehend gelungen, die Stressanfälligkeit züchterisch zu reduzieren.

Quelle: countrypixel / Fotolia.com

Der Einfluss von Robustheit und Vitalität auf den Einsatz von Tierarzneimitteln

Die Überlegenheit robuster und vitaler Tiere ist, dass sie endogene (Geburt, einsetzende Laktation, Brunst, Rausche u. ä.) und exogene Stressoren wie Transport, Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen (Futter, Stallklima) und das produktionsbedingte Umgruppieren (Crowding-Effekt) ohne erhöhtes Erkrankungsrisiko überstehen. Ihnen gelingt die Adaption ohne merklichen Leistungsabfall.

Vor- und Nachteile der Förderung gesundheitsrelevanter Merkmale

Die Entscheidung, gesundheitsrelevante Merkmalskomplexe bei der Zuchtwertschätzung verstärkt zu berücksichtigen, ist sehr komplex. Robustheit ist häufiger bei Rassen und Zuchtlinien zu finden, die eine geringere Milchleistung bei Milchkühen, einen geringeren Magerfleischanteil bei Mastschweinen oder eine geringere Gewichtzunahme bei Mastgeflügel aufweisen. Tierhalterinnen/-halter sind bei der Wahl von Rassen und Zuchtlinien sehr stark von den Forderungen ihrer Marktpartner abhängig, wie z.B. von Schlachthöfen, Molkereien und Vermarktern von Eiern sowie von deren produktbezogenen Bezahlungs- und Klassifizierungssystemen.

Bislang gibt es keine ökonomischen Bewertungssysteme, die Kriterien wie verbesserte Gesunderhaltung und damit einhergehend weniger krankheitsbedingte Verluste, geringeren Einsatz von Tierarzneimitteln, Langlebigkeit, Fruchtbarkeit usw. in eine Kosten-Nutzenanalyse mit einbeziehen.

Wird beispielsweise die Eutergesundheit verbessert, hat dies einen wesentlichen Einfluss auf die ökonomische Effizienz der Milchproduktion. Denn Mastitiden sind für schätzungsweise 33% der durch Krankheiten verursachten Kosten in der Milchviehhaltung verantwortlich.

Aufgrund der komplexeren und neuen Zuchtziele haben sich auch die Methoden der Zuchtwertschätzung grundlegend geändert. Beispielsweise werden Feldprüfungen dort durchgeführt wo früher Stationsprüfungen im Vordergrund standen.

Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Bedeutung gesundheitsassoziierter Merkmale für den Gesamtzuchtwert prozentual bereits deutlich erhöht. Beispielsweise ist in der Milchkuhhaltung die Bedeutung der Merkmale Leistung, Exterieur und Zellzahl gesunken, wohingegen insbesondere das Merkmal Nutzungsdauer stärker berücksichtigt wird.

Insgesamt kann der Einsatz robuster Rassen immer nur eine von vielen präventiven Maßnahmen sein. Die Gesunderhaltung ebenso wie die Erkrankung ergibt sich immer aus einem Zusammenspiel von Mikro- und Makroorganismus. Infektiöse Erkrankungen werden durch krankmachende Mikroorganismen wie Viren, Pilze oder Bakterien hervorgerufen. Das Vorhandensein eines Erregers führt allerdings nicht zwangsläufig zur Erkrankung. Aber bei ausreichend hohem Infektionsdruck (siehe: Reduktion des Keimdrucks), d. h. vielen Erregern, kann es zum Ausbruch der Infektionskrankheit beim Makroorganismus kommen. Ab welchem Level sich Symptome zeigen und vor allem, wie stark die Symptome ausfallen, hängt u. a. von dem individuellen Immunstatus (siehe: Stärkung des Immunsystems von Nutztieren) und der allgemeinen Konstitution des Makroorganismus ab. Hierauf kann züchterisch Einfluss genommen werden.

Foto von Kühen im Melkstand
Hochleistungsmilchkühe

Gesundheitsbezogene Merkmalskomplexe können gegensätzlich zu Leistungsmerkmalen sein.

Quelle: toa555 / Fotolia.com
Teilen:
Artikel:
Drucken
Schlagworte:
 Krankheitsresistenz  Genetik  Tierarzneimittel  Umwelt  prävention  Nutztier