Gelungene Energiewende in teilsaniertem Altbau von 1966 auch ohne Vollwärmeschutz
Kombinierter Einsatz von Solarthermie, PV-Anlage, Wärmepumpe, Speicher und Holzofen führt zum Erfolg
Kombinierter Einsatz von Solarthermie, PV-Anlage, Wärmepumpe, Speicher und Holzofen führt zum Erfolg
Das vollunterkellerte Einfamilienhaus in Reutlingen, Baujahr 1966, verfügt über 106 m² Wohnfläche. Ein Kellerraum ist beheizt. Das Gebäude besitzt weder Vollwärmeschutz noch eine Fußbodenheizung. Über die Jahre wurden jedoch verschiedene Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt: Die Fenster wurden mit Zwei-Scheiben-Isolierglasfenster ausgestattet, die Haustüre getauscht, innenliegende Rollladenkästen wurden gedämmt sowie das Flachdach zusatzgedämmt.
Trotz dieser Verbesserungen lag der Wärmeenergieverbrauch des Gebäudes mit Gasheizung bei über 270 kWh / m² / Jahr (ca. 29.000 kWh p.a. für Gas). 2022 war klar: Die veraltete Heizung, deren Betriebskosten sehr hoch waren, musste ersetzt werden. Ein Gasbrennwertkessel kam nicht infrage, eine Wärmepumpe hingegen sehr wohl. Denn als schwäbischer Ingenieur versteht man das mit der Jahresarbeitszahl (JAZ) schnell: 4 kWh Wärme für 1 kWh Strom, das hört sich nach einem guten Geschäft an.
Nach intensiver Recherche, Planung und Klärung technischer Details wurde der BAFA-Förderantrag gestellt, die passende Wärmepumpe ausgewählt und ein kompetenter Handwerksbetrieb beauftragt. Im Zuge der Installation wurden acht alte Gliederheizkörper durch moderne Flächenheizkörper ersetzt, um die niedrigeren Vorlauftemperaturen der Wärmepumpe optimal zu nutzen.
Seit der Umstellung liegt der kombinierte Stromverbrauch für Heizung und Haushalt bei 7.386 kWh jährlich, davon deckt die PV-Anlage 1.836 kWh. Die Wärmepumpe verbraucht 4.777 kWh, die Jahresarbeitszahl beträgt rund 3,1.
Das Ergebnis: Neben den Heizkosten konnten auch die CO₂-Emissionen deutlich gesenkt werden – von etwa 7 auf rund 1 Tonne pro Jahr. Dank der Flächenheizkörper ist das Haus nun gleichmäßig und angenehm beheizt – ein spürbarer Komfortgewinn gegenüber der alten Technik.
1. Intensive Recherche
Zunächst wurde umfangreich zu den Themen Wärmepumpe, Heizlast, Heizkörperarten, Hydraulik (inkl. Solarthermie und Zirkulationsleitung), Speicherlösungen sowie Anforderungen an die Elektroinstallation gelesen und recherchiert.
2. Vorlauftemperatur als Indikator
Die Heizungsanlage war bereits seit längerer Zeit auf eine Vorlauftemperatur von 50 °C eingestellt – ein gutes Zeichen dafür, dass eine Wärmepumpe technisch umsetzbar sein würde.
3. Monitoring und Datenanalyse
In den Wintern 2022/23 und 2023/24 wurde der Gaszähler täglich kontrolliert, um den tatsächlichen Heizbedarf zu erfassen. Die Daten wurden in Excel ausgewertet, u. a. in Form einer Datenwolke mit Wärmeverbrauch in Abhängigkeit von der Außentemperatur.
4. Heizlastberechnung
Die Heizlast des Gebäudes wurde mithilfe des Tools „Heizreport“ ermittelt (siehe Links).
5. Strombedarf und PV-Anlage
Der zu erwartende Strombedarf wurde in Verbindung mit der bestehenden PV-Anlage abgeschätzt, um die Eigenstromnutzung zu optimieren.
6. Vergleich von Wärmepumpenmodellen
Unterschiedliche Modelle und Hersteller wurden hinsichtlich Effizienz, Technik und Kompatibilität mit dem Gebäude verglichen.
7. Angebotsphase
Es wurden zahlreiche Angebote eingeholt. Einige waren jedoch überteuert, unvollständig oder technisch ungeeignet für das Gebäude.
8. Handwerkerwahl mit Glück und Empfehlung
Ein Tipp eines Kollegen führte zu einem erfahrenen Handwerker in der Nähe, der sich auf Wärmepumpen spezialisiert hat. Er überzeugte durch Fachkompetenz, schnelle Kommunikation und ein stimmiges Angebot.
Das Projekt ist ein voller Erfolg. Im ersten Winter erfolgte das Monitoring der Wärmepumpe täglich, inzwischen reichen wöchentliche bzw. monatliche Auswertungen der wichtigsten Kennzahlen aus. Dank der eingebundenen Solarthermieanlage (Baujahr 2000, 6,9 m² Kollektorfläche) kann die Wärmepumpe in den Sommermonaten pausieren. Die vorhandene PV-Anlage mit 6,8 kW Wechselrichterleistung sorgt dafür, dass der Stromzukauf gut finanzierbar bleibt.
Seit der Installation eines Stromspeichers sinkt der Netzbezug weiter. Dadurch ist geplant, im kommenden Winter die Solltemperatur der Heizung um 0,5 bis 1 °C anzuheben – zur Freude aller im Haus. Perspektivisch könnten ein Home Energy Management System (HEMS) und ein E-Auto das System sinnvoll ergänzen.
1. Bestandsaufnahme
Vor dem Heizungstausch sollten das Gebäude und die bestehende Heizungsanlage sorgfältig analysiert werden.
2. Erfassung des aktuellen Energieverbrauchs
Der tatsächliche Verbrauch während der Heizsaison und über das gesamte Jahr hinweg muss gemessen werden, um eine belastbare Grundlage für die Planung zu schaffen.
3. Detaillierte Heizlastberechnung
Eine präzise Berechnung des Wärmebedarfs ist essenziell für die richtige Dimensionierung der neuen Heizlösung und einen effizienten Betrieb. Eine kostengünstige Möglichkeit bietet das Tool Heizreport.
4. Dimensionierung der Wärmepumpe
Die Leistung der Wärmepumpe sollte bewusst etwas unterhalb der ermittelten Heizlast liegen. Eine Überdimensionierung ist zu vermeiden, da sie ineffizient und kostenintensiv sein kann.
5. Gewerke sorgfältig planen
Alle beteiligten Gewerke müssen frühzeitig und detailliert geplant werden. Beispiel: Damit der 800-Liter-Speicher eingebracht werden konnte, musste ein Türrahmen im Keller ausgebaut werden. Auch die Installation der neuen Heizkörper sollte mit der Dämmung der Heizkörpernischen abgestimmt erfolgen.
6. Technische Umsetzung clever lösen
Eine Split-Wärmepumpe lässt sich gut auf einem Flachdach installieren. Die Leitungen können durch einen stillgelegten Abgaskamin direkt in den Heizraum geführt werden – eine platzsparende und elegante Lösung.