Wie die Verkehrswende sozial gerecht gestaltet werden kann

zwei Kinder mit Schulranzen schauen zwischen parkenden Autos, ob sie die Straße sicher queren könnenzum Vergrößern anklicken
Kinder und andere Menschen ohne Führerschein oder Auto profitieren besonders von der Verkehrswende
Quelle: Sabine Hürdler / Fotolia.com

Die Verkehrspolitik ist ein extrem kontroverses, emotionales Thema: Große Teile der Bevölkerung halten die Verkehrswende für sinnvoll und notwendig. Andere halten sie für unrealistisch oder fühlen sich überfordert. Eine Studie des Umweltbundesamtes zu den sozialen Folgen der Verkehrswende zeigt, wo es wirklich hakt und macht Vorschläge, mit welchen politischen Maßnahmen alle profitieren können.

Für die meisten Haushalte sind die Folgen der Verkehrswende gut zu bewältigen – viele profitieren sogar von ihr. Das ist das zentrale Ergebnis eines neuen ⁠UBA⁠-Forschungsberichts mit dazugehörigem Policy Paper zum Thema soziale Auswirkungen der Verkehrswende. Autor*innen sind das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT sowie die Universitäten Stuttgart und die Freie Universität Berlin.

Es gibt aber Gruppen, die von der Verkehrswende besonders belastet werden: Insbesondere bei Menschen im ländlichen Raum mit langen Pendelwegen könnte es ohne staatliche Unterstützung bis in die mittleren Einkommensgruppen zu Problemen kommen. Anders als in den Städten ist der öffentliche Verkehr auf dem Land meistens keine realistische Alternative zum eigenen Auto. Elektroautos sind jedoch für viele noch zu teuer. Es verwundert nicht, dass daher viele Menschen auf dem Land der Verkehrswende skeptischer gegenüberstehen, als dies in Ballungsgebieten der Fall ist.

Die Idee der Verkehrswende deshalb zu begraben oder nur in den Städten durchzuführen, ist keine Lösung. Im Gegenteil – abgesehen von der klimapolitischen Erfordernis würde der Großteil der heute weniger Privilegierten auch auf dem Land nach einer Verkehrswende besser dastehen. Das wird bei Betrachtung der Situation in der Gegenwart deutlich:

Status Quo

In einem ersten Schritt untersuchte das Vorhaben den Status Quo und veröffentlichte erste Ergebnisse 2021. Demnach hat das aktuelle System von Abgaben, Steuern und Subventionen des Verkehrs bereits heute Verteilungswirkungen, die nicht gerecht sind.

Wer wird durch die Verkehrswende besonders belastet, wer profitiert?

Bevölkerungsgruppen, die viel Auto fahren, sind stärker von Maßnahmen für die Verkehrswende betroffen:

  • Berufspendler*innen
  • Männer
  • Bezieher*innen höherer Einkommen
  • Bewohner*innen des ländlichen Raums

Wer bisher am meisten unter den negative Umweltwirkungen gelitten hat, profitiert:

  • Bezieher*innen niedriger Einkommen
  • alte und junge Menschen
  • Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen
  • Menschen mit Migrationshintergrund

Bei preiswirksamen Instrumenten besteht für vulnerable Haushalte die Gefahr der Überforderung. Das betrifft vor allem Menschen im ländlichen Raum mit langen Pendelwegen.

Politikempfehlungen für die Verkehrswende

Die Wissenschaftler*innen machen Empfehlungen für eine umweltorientierte und sozialverträgliche Verkehrspolitik. Das Thema Quantifizierung der Verteilungswirkungen der Entfernungspauschale findet in einem 2022 veröffentlichtem Dokument besondere Beachtung.

Grundsätzlich gliedern sich die Empfehlungen in 3 Bereiche:

  • Ausbau von Infrastruktur für umweltverträgliche Mobilität (z.B. Öffentlichen Verkehr (ÖV) verbessern)
  • Schaffung von Kostenwahrheit beim Verkehr (z. B. Bonus-Malus-System für Autos)
  • Abschwächung von unerwünschten Verteilungswirkungen für vulnerable Gruppen (z.B. Klimaprämie oder ÖV-Sozialticket)

Fazit

Die soziale Ungerechtigkeit des Verkehrs im Status Quo wird bislang unterschätzt.

Zukünftige Verteilungswirkungen der Verkehrswende zu Lasten von Bezieher*innen niedriger Einkommen werden in der öffentlichen Diskussion eher überschätzt.

Im Fall sozialer Härten empfiehlt das UBA (spezifische) Förderung für vulnerable Haushalte. Personen mit mangelnden Möglichkeiten, auf umweltfreundlichere E-Mobilität umzusteigen, brauchen Unterstützung. Geld für den (temporären) Ausgleich von sozialen Härten kann der Staat beispielsweise aus Abschaffung umweltschädlicher Subventionen generieren.