Klimaschutz in der Landwirtschaft: Maßnahmen auf dem Prüfstand

Kühe auf einer Weide, im Hintergrund eine Biogasanlagezum Vergrößern anklicken
Die Rinderhaltung ist eine der Hauptquellen für Methan in Deutschland und weltweit
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Um rund ein Viertel ließen sich die Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft von aktuell 62 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten reduzieren. Dazu sind ambitionierte technische und strukturelle Maßnahmen erforderlich. Doch auch weniger ambitionierte Maßnahmenpakete könnten die Treibhausgasemissionen deutlich senken.

Ein Forschungsprojekt der Justus-Liebig-Universität Gießen und DöhlerAgrar hat im Auftrag des Umweltbundesamtes (⁠UBA⁠) 28 landwirtschaftliche Klimaschutzmaßnahmen untersucht, um herauszufinden welche Maßnahmen klimaschädliche Treibhausgasemissionen (THG) im Agrarsektor besonders effektiv reduzieren.

Zu den untersuchten Maßnahmen zählen die drei quantifizierbaren Ansätze des aktuellen Klimaschutzprogrammes: (1) die Senkung der Stickstoffüberschüsse, (2) die Steigerung der Wirtschaftsdüngervergärung und (3) die Ausweitung des Ökolandbaus. Zusätzlich wurde das Minderungspotenzial von 25 weiteren Maßnahmen aus Düngung, Pflanzenbau, Wirtschaftsdüngermanagement und Tierhaltung untersucht. Auch strukturelle Maßnahmen wie die Begrenzung der Viehbesatzdichte wurden quantifiziert.

Technisch effizient – aber nicht ohne Nebenwirkungen

Für ein sogenanntes Maximal-⁠Szenario⁠, das die kombinierte Umsetzung der wirksamsten Maßnahmen und größtmöglichen Minderungspotenziale annimmt, berechneten die Forschenden ein Gesamt-Minderungspotenzial von 16,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten (t CO₂-Äq.). Dazu gehört z.B. die Steigerung der Wirtschaftsdüngervergärung auf 70% (von derzeit rund 22%). Wird von moderateren Annahmen (z.B. 30% Güllevergärung) ausgegangen, reduziert sich dieses Potenzial auf rund 8,5 Millionen t CO₂-Äq.. Beschränkt man sich auf technische Maßnahmen – etwa den Einsatz von Nitrifikationsinhibitoren, Gülleansäuerung, die Vergärung von Wirtschaftsdüngern oder methanmindernde Futterzusätze – ergibt sich eine potenzielle Einsparung von 7,6 Millionen t CO₂-Äq..

Allerdings weisen die Forschenden darauf hin, dass diese technischen Maßnahmen nicht frei von Risiken sind: Einige der eingesetzten Substanzen gelten als potenziell schädlich für Wasserorganismen oder könnten sich negativ auf die Fortpflanzung von Säugetieren auswirken.

Maßnahmen mit ökologischen Synergien

Um einen Überblick über Synergien und Zielkonflikte zu erhalten, wurden zusätzlich zum THG-Minderungspotenzial weitere Umweltwirkungen wie die Freisetzung von Luftschadstoffen, die Änderung des Nitrat-Auswaschungspotenzials und die Auswirkungen auf THG-Emissionen in anderen Sektoren ermittelt.

Aus Umweltsicht bedeutend sind der Anbau von Körnerleguminosen, die Begrenzung der Tierhaltung auf zwei Großvieheinheiten pro Hektar oder die Förderung von Mehrnutzungsrindern. Diese Maßnahmen haben ein THG-Minderungspotenzial von knapp 4 Millionen t CO₂-Äq. und bieten ökologische Vorteile, die über den ⁠Klimaschutz⁠ hinausgehen.

In der Studie wurde eine Methode zur Berechnung der THG-Vermeidungskosten entwickelt, um Maßnahmen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Effizienz beurteilen zu können. Für ausgewählte Maßnahmen liefert die Methode erste Anhaltspunkte zur ökonomischen Bewertung. Die Ergebnisse zeigen, dass bei Umsetzung der oben genannten drei Maßnahmen des aktuellen Klimaschutzprogramms für die Landwirtinnen und Landwirte keine oder nur geringe Mehrkosten entstehen und sie teilweise sogar einen wirtschaftlichen Gewinn erzielen können, z.B. bei der Wirtschaftsdüngervergärung. Auch für andere Maßnahmen wäre die Umsetzung teils mit Mehrkosten, teils mit Einsparpotenzialen für landwirtschaftliche Betriebe verbunden.

Potenziale sollten genutzt werden

Die Studienergebnisse zeigen, dass die Landwirtschaft deutlich mehr zur THG-Minderung beitragen könnte als mit den Maßnahmen des aktuellen Klimaschutzprogramms erreicht wird. Die Forschenden gehen außerdem davon aus, dass die Wirkung der quantifizierten Maßnahmen des Klimaschutzprogramms bislang überschätzt wird – insbesondere, weil deren Umsetzung weniger wahrscheinlich als angenommen ist. Auch die Projektionsberichte 2023 bis 2025 zeigen, dass viele Einzelmaßnahmen unter den aktuellen Rahmenbedingungen kaum realisierbar sind. Gemäß der jüngsten Projektionsdaten für 2025 werden die Emissionen des Landwirtschaftssektors ab 2030 auf einem konstant hohen Niveau stagnieren. Das Gesamtziel der Treibhausgasneutralität rückt damit in weite Ferne – eine Einschätzung, die auch vom Expertenrat für Klimafragen geteilt wird. Um die Ziele zu erreichen, müssen weitere Maßnahmen im Sektor Landwirtschaft genutzt werden.

Die Ergebnisse der Studie liefern eine Grundlage für die Priorisierung der wirkungsvollsten und aus Umweltsicht vorzüglichen Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft. Sie verdeutlichen, dass mit einem technikgetriebenen Ansatz kurzfristige Einsparungen erreicht werden. Langfristig sind jedoch die Umweltfolgen zu berücksichtigen und Synergien zu nutzen. Für die Entwicklung künftiger Klimaschutzprogramme –über 2030 hinaus – bieten die Erkenntnisse wertvolle Ansatzpunkte für eine wirksame und ökologisch verträgliche Klimapolitik im Agrarsektor.

 

 

 

 

 

 

 

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 klimaschutzmaßnahmen  Anpassungsstrategie Landwirtschaft