Hintergrund und Ziele
Der Leitfaden bündelt Informationsgrundlagen, Kernerkenntnisse, mögliche Vorgehensweisen und Praxistipps aus dem Projekt KlimaWaGe, die dabei helfen sollen, eine Grundlage für Projekte der Bestands- und Neuentwicklung sowie Umplanung von klimawandelangepassten Industrie- und Gewerbegebieten in deutschen Kommunen zu schaffen. Der Fokus liegt dabei einerseits auf methodischen Empfehlungen zur Ermittlung von Klimawandelfolgen in Industrie- und Gewerbegebieten und andererseits auf übertragbaren Maßnahmen für deren Entwicklung. Dabei wird teilweise zwischen Neuentwicklung, Umbau und Bestandsentwicklung unterschieden.
Der Leitfaden richtet sich in erster Linie an Akteur*innen in deutschen Städten und Gemeinden sowie in der Forschung und Planung, denn ihnen kommt eine bedeutende Rolle in der Klimaanpassung zu. Er soll Anreiz sein für Anpassungsmaßnahmen zur KIG-Entwicklung und Hilfestellung, diese als sektorübergreifende Prozesse zu verstehen. Im Sinne einer besseren Verständlichkeit und Übertragbarkeit werden konkrete Erkenntnisse aus dem Leuchtturmvorhaben in der Stadt Bottrop beispielhaft vorgestellt und mit allgemeinen Betrachtungen verknüpft.
Die Module des Leitfadens sind so gestaltet, dass sie als Rahmen für den Ablauf zur KIG-Entwicklung genutzt werden können. Jedes Modul sammelt Vorschläge für ein methodisches Vorgehen für die zielgerichtete, strategische und integrierte Entwicklung von KIG. Der Fokus liegt dabei auf den spezifischen Anforderungen der Anpassung an Starkregen und Hitzestress, weshalb nur stellenweise auf generelle oder abstrakte Vorgehensweisen eingegangen wird.
Laufzeit
bisUntersuchungsregion/-raum
- Deutschland
- Nordrhein-Westfalen
- Deutschland gesamt
Das Projekt wurde am Beispiel der Stadt Bottrop erprobt. Das Produkt des Projektes ist nicht Bottrop spezifisch, sondern allgemeingültig für Gewerbe- und Industriegebiete in Deutschland.
Schritte im Prozess zur Anpassung an den Klimawandel
Schritt 1: Klimawandel verstehen und beschreiben
- Hitzewellen
- Starkniederschlag (inkl. Hagel, Schnee)
- kurzfristig = die nächsten Jahre/Jahrzehnte
- mittelfristig = bis 2050
Schritt 2a: Risiken erkennen und bewerten (Klimafolgen/-wirkungen)
Durchführung einer Klimafolgenanalyse für Gewerbe- und Industriegebiete für die Zeitschnitte Gegenwart und Zukunft (2021-2050) in Bottrop.
Das Wissen um klimatische Einflüsse ist zudem wesentlicher Bestandteil einer zukunftssicheren und gesteuerten Siedlungsentwicklung, insb. der KIG-Entwicklung, da Industrie- und Gewerbegebiete auch bei geringen klimatischen Einflüssen erhebliche Funktionseinbußen erleiden können. Eine Klimafolgenanalyse kann neben der KIG-Entwicklung und -Planung auch Teil einer vorgelagerten gesamtstädtischen Alternativenprüfung sein und dabei Klimawandelanpassungspotenziale auf neu zu entwickelnden Flächen, in Bestandsgebieten und auf Umnutzungsflächen identifizieren. Bestenfalls finden die Ergebnisse und insb. die Grundlagendaten der Klimafolgenanalyse Eingang in die formelle Umweltprüfung.
Die Klimafolgenanalyse in Bottrop wurde vollumfänglich für die 20 bestehenden Gewerbegebiete durchgeführt; für die Umnutzungs- und Neubaugebiete bestanden keine konkreten Informationen und Daten bzgl. der konkreten zukünftigen Entwicklung. Die betrachteten Klimasignale Hitze und Starkregen und deren Auswirkung auf die Sensitivitätsebenen Arbeitsbevölkerung, funktionsspezifische und objektspezifische Sensitivitäten entsprechen dem inhaltlichen Fokus des Projekts KlimaWaGe. Es wurden verschiedene Szenarien erstellt, um auch die zukünftig zu erwartenden klimatischen Auswirkungen abzubilden.
Describe here, which approach for the vulnerability analysis, risks and/or chances is/was used within your project and which results emerged from it or are expected
Es wird die Reduzierung der Klimawirkungen in Industrie- und Gewerbegebieten und die Steigerung der Anpassungskapazität der an der Gewerbe- und Industriegebietsentwicklung Beteiligten angestrebt, die im Ergebnis die Vulnerabilität der Arbeitsbevölkerung, der baulichen Strukturen und netzwerkbezogenen Infrastrukturen senken. Folglich setzt sich das KlimaWaGe-Konsortium die generelle Reduzierung der Vulnerabilität von Industrie- und Gewerbegebieten zum Ziel, ohne die Höhe der Reduzierung konkret zu benennen. Dies folgt einem pragmatischen und praxisnahen Ansatz, vor dem Hintergrund des Umgangs mit Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel u. a. empfehlen.
Zur Zielerreichung wurde im KlimaWaGe-Projekt im Rahmen der Strategieentwicklung eine SWOT-Analyse auf umfangreichen Grundlagenanalysen und der Ideenwerkstatt durchgeführt. Dieses Vorgehen ermöglichte die maßgeschneiderte Strategieentwicklung für Bottrop. Im Zuge der SWOT-Analyse konnten für drei beispielhafte Industrie- und Gewerbegebiete in Bottrop die folgenden Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken identifiziert werden.
Auf dieser Grundlage wurden Strategien entwickelt:
Gesamtstädtische Strategien,
Gebietstypische Strategien für die Bestandsentwicklung,
Gebietstypische Strategien für die Umnutzung,
Gebietstypische Strategien für die Neuplanung
Um den mit dem Klimawandel verbundenen Unsicherheiten in der Strategieentwicklung Rechnung zu tragen, griff das KlimaWaGe-Konsortium in der wissenschaftlichen Literatur empfohlene Strategienansätze zum Umgang mit Unsicherheiten im Zusammenhang mit Klimawandelfolgen auf
● sanfte Strategien, die auf kooperative Ansätze aufbauen mit einem Konsens als funktionales Äquivalent rechtlicher Normierung;
● Berücksichtigung der generellen Ziele der Erhöhung der Anpassungskapazität und Reduktion der Vulnerabilität,
● Verfolgung von Strategien der sequenziellen Realisierung und Einbezug einer Bandbreite möglicher Entwicklungen in planerischen Konzepten unter Einsatz von Szenariotechniken,
● Verfolgung von No-Regret-Strategien.
Im KlimaWaGe-Projekt verfolgten die Strategien vorrangig die generelle Reduktion der Vulnerabilität der Industrie- und Gewerbegebiete und greift durch die intensive Beteiligung verschiedener Planungsdisziplinen der Stadtverwaltung in Teilen Ansätze sanfter Strategien auf. Darüber hinaus weisen einige entwickelte Strategien Elemente von No-Regret-Strategien und Strategien der sequenziellen Realisierung auf. Beispiele dafür sind die Ermöglichung temporärer Nutzungen bei der Neuentwicklung von Industrie- und Gewerbegebieten oder die Weitestgehende Erhaltung, Sicherung und ggf. Ausbau klima-ökologischer (und sozialer) Funktionen von Grünstrukturen unter Berücksichtigung einer Ertüchtigung der Gewerbe- und Industriegebiete.
Schritt 3: Maßnahmen entwickeln und vergleichen
Auf dem Weg von der Strategie zur Implementierung sind Maßnahmen das Schlüsselelement der angestrebten Entwicklung von KIG. Im Kontext des KlimaWaGe-Projekts waren mit Maßnahmen die Handlungen und Regelungen gemeint, die zur Reduzierung der Vulnerabilität von Gewerbe- und Industriegebieten – darunter die der Arbeitsbevölkerung, der Flächennutzungen und baulichen Objekte sowie der netzwerkbezogenen Infrastrukturen – gegenüber den Folgen des Klimawandels (insb. Hitzestress und starkregenbedingten Überflutungen) beitragen. Sie orientierten sich einerseits an (kommunalen) Handlungsspielräumen, die je nach Neuentwicklung, Bestandsentwicklung oder Umnutzung stark variieren können, und andererseits an den Kernaufgaben der Verwaltung; Planen, Genehmigen, Kontrollieren, Beraten und Informieren. Zudem wurden die Maßnahmen fokussiert, die an Methoden, Verfahren und Instrumenten der Planungspraxis ansetzen.
Die gesammelten Maßnahmenmöglichkeiten entsprechend der Handlungsspielräume und Kernaufgaben wurden in eine Strategie-Maßnahmen-Matrix übertragen, wodurch eine erste Überprüfung der Maßnahmen hinsichtlich einer zielgerichteten, strategischen Eignung stattfand.
Auf Grundlage der Strategie-Maßnahmen-Matrix schlug KlimaWaGe in Form von zwei städtebaulichen Entwürfen und ergänzenden vertraglichen Vereinbarungen Maßnahmen zur hitze- und starkregenangepassten Entwicklung einer Neubaufläche und einer Umnutzungsfläche vor, die exemplarisch in Maßnahmensteckbriefen aufbereitet und im Rahmen von zwei Planspielen mit lokalen Verwaltungsmitarbeiter*innen erprobt und getestet wurden.
- Gegenwart
- 2021–2050 (nahe Zukunft)
Schritt 4: Maßnahmen planen und umsetzen
Welche Maßnahmen sich zur Klimawandelanpassung von Industrie- und Gewerbegebieten eignen, ist abhängig von einer Reihe verschiedener Faktoren. Übergeordnete Aspekte sind einerseits die politische Unterstützung von Maßnahmen und die strukturelle Verankerung der Klimaanpassung in der kommunalen Verwaltung, inkl. der Bereitstellung von Personal und finanziellen Ressourcen. Andererseits ist die Einbindung und Konstellation von (lokalen) Akteur*innen und zuständigen Institutionen ausschlaggebend, ebenso wie die Sensibilisierung und Stärkung zur Eigenvorsorge der Bevölkerung. Die Implementierung konkreter Maßnahmen hängt von der Art des KIG-Entwicklungsprojekts ab. Die Chancen und Möglichkeiten sind gerade in der Neuplanung sehr groß, wenn schon früh Einfluss auf langlebige Bau- und Infrastrukturen genommen wird. In der Bestandsentwicklung sind die Herausforderungen größer und die Entwicklungsmöglichkeiten oft kleiner und aufwendiger, da die Gebiete in der Regel bereits vollständig entwickelt sind und ein bestehendes, häufig jedoch nicht mehr zeitgemäßes Planungsrecht herrscht. Gleichzeitig besteht meistens in Bestandsgebieten der größte Handlungsbedarf. Daher erprobte und entwickelte das KlimaWaGe-Projekt verschiedene Maßnahmen für die Bestands- und Neuentwicklung in Bottrop. Die Ergebnisse werden im Folgenden am Beispiel des Kraneburger Feld präsentiert.
Entsprechend der Handlungsspielräume und der Erkenntnisse aus der Literatur sowie der Erprobung von Maßnahmen im Rahmen der durchgeführten Planspiele entwickelte das KlimaWaGe-Projekt übertragbare Maßnahmenempfehlungen in Form von Festsetzungsinhalten, Inhalten städtebaulicher Verträge. Zudem entwickelte das KlimaWaGe-Projekt den Einsatz mikroklimatischer Modellierungen im Planungsverfahren sowie die interdisziplinäre Vorgehensweise im Planungsverfahren weiter.
Ziel der Modellierungen ist es, die Planungsvarianten zu identifizieren, von denen die geringsten Auswirkungen durch Hitzebelastung oder Starkregen ausgehen. Diese Modellierungen lassen sich in den formellen Rahmen einer Umweltprüfung einbetten und bieten somit eine fundierte Evidenzgrundlage in Abwägungsbelangen. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 j) BauGB ist bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu berücksichtigen. Im Rahmen des KlimaWaGe-Projekts wurden exemplarische Modellierungen bzgl. der kleinklimatischen Situation im Zuge der Klimawandelanpassung von drei gewerblich-industriell genutzten Beispielflächen durchgeführt.
Wer war oder ist beteiligt?
Gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) als kommunales Leuchtturmvorhaben im Rahmen des Förderprogramms "Anpassung an die Folgen des Klimawandels“
Stadt Bottrop
IRPUD, TU Dortmund
Stadt Bottrop
IRPUD, TU Dortmund
Tilman Christian (Stadt Bottrop)
tilman [dot] christian [at] bottrop [dot] de
02041 703749