Klimabedingte Risiken und Chancen. Eine schweizweite Synthese

Ziel der Studie

Der Bericht beruht auf acht Fallstudien, die untersucht haben, mit welchen Konsequenzen zu rech­nen ist, wenn sich der weltweite Anstieg der Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten in vergleichbarem Umfang fortsetzt wie bisher. Die Resultate dieser Fallstudien wurden auf alle Landesteile übertragen und als Grundlage genutzt, um die prioritären klimabedingten Risiken und Chancen für unser Land zu bestimmen. Sie geben Hinweise für die Weiterentwicklung der ersten, 2012 verabschiedeten Anpassungsstrategie des Bundesrates und erlauben es, die Anstrengungen noch gezielter auf jene Bereiche auszurich­ten, wo der größte Nutzen zu erwarten ist. Indem zudem eine Methodik zur Verfügung gestellt wird und erste Handlungsoptionen aufgezeigt werden, können Kantone und Regionen nun ihre eigene Strategie und Anpassungspla­nung weiterentwickeln.
Die Untersuchung wurde für die Schweiz durchgeführt. Die Ergebnisse und insbesondere die im Abschnitt "Klimawirkungen" genannten textlichen Aussagen beziehen sich daher ausschließlich auf die Schweiz.

Erscheinungsjahr

Untersuchungsregion/-raum

Die Klimastudie analysiert Klimawirkungen, trifft jedoch keine raumbezogenen Aussagen für Deutschland insgesamt oder für Teilräume innerhalb Deutschlands.
Untersuchungsraum Schweiz

Verwendete Klimamodelle / Ensembles

Emissionsszenarien A1B SRES-Szenario
Klimamodelle SRES
Ensembles nicht dokumentiert
Anzahl der Modellläufe nicht dokumentiert
Regionales Klimamodell 

CH2011

Weitere Parameter 

Temperatur, Niederschlag, Schneefallgrenze

Zeitraum 

1980-2009, 2045-2074

Klimawirkungen

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Menschliche Gesundheit
    • Hitze- und kälteabhängige Erkrankungen oder Mortalitäten
    • Gesundheitliche Auswirkungen von aerogenen Stoffen
    • Vektorübertragene Krankheiten

„Mit dem Klimawandel wird in Zukunft das gesundheit­liche Risiko aufgrund von Hitze zunehmen (IPCC 2014). Bis zum Jahr 2060 wird eine bedeutende Zunahme des Risikos in den Agglomerationen, der Südschweiz und dem Mittelland erwartet. Für die Voralpen, die Alpen und den Jura wird eine moderate Zunahme projiziert (Abb. 7). Obwohl die Temperaturen in höheren Lagen tiefer sind und in den Voralpen und Alpen auch in Zukunft nur we­nige Hitzetage und Tropennächte erwartet werden, muss auch dort das hitzebedingte Gesundheitsrisiko beachtet werden. Da die dort ansässige Bevölkerung an Hitzewel­len nicht angepasst ist, dürfte sie diesen gegenüber eine höhere Verletzlichkeit aufweisen als z. B. die Bevölkerung in der Südschweiz (Grize et al. 2005).“ (S. 26)
„In Zukunft dürfte die Schweizer Bevölkerung unter weniger kältebedingten Beschwerden (Unterkühlung, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen) leiden.“ (S. 28)
„Für das Mittelland, die grossen Agglomerationen und die Südschweiz wird bis 2060 eine moderate klimabedingte Zunahme des Risikos der Beeinträchtigung der mensch­lichen Gesundheit durch Krankheiten und gebietsfrem­de Arten erwartet. In diesen Regionen dürften sich die steigenden Mitteltemperaturen am stärksten auswirken. Im Jura, den Alpen und Voralpen wird hingegen nur eine geringe Zunahme bis 2060 erwartet (Abb. 45).“ (S. 89)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Industrie und Gewerbe
    • Arbeitskräfte und Beschäftigte

„In Zukunft wird sich das Risiko der Leistungseinbussen während Hitzeperioden vergrössern. Eine bedeutende Zunahme des Risikos wird in den grossen Agglomera­tionen, im Mittelland und in der Südschweiz erwartet. Hingegen geht man in den Voralpen, den Alpen und im Jura von einer moderaten Zunahme des Risikos aus, da dort die zusätzliche Hitzebelastung weniger ausgeprägt ist (Abb. 9).“ (S. 29)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Energiewirtschaft
    • Energiebedarf
    • Energieumwandlung

„Die Anzahl Kühlgradtage ist ein guter Indikator zur Abschätzung des Kühlenergiebedarfs. In tiefen Lagen nördlich der Alpen gibt es davon heute zwischen 100 und 200, in der Südschweiz 300 pro Jahr. In der Periode um das Jahr 2060 werden diese je nach Höhenlage um einen Faktor zwei bis fünf zunehmen, wobei die relative Zunahme in hohen Lagen grösser ist, jedoch die absolute kleiner (FS2 – FS5, FS7, FS8).
Eine bedeutende Zunahme des Kühlenergiebedarfs (ca. +130 %) wird in den grossen Agglomerationen, im Mittelland und in der Südschweiz erwartet. Für die höheren Lagen in den Voralpen, Alpen und im Jura geht man von einer geringen absoluten Zunahme aus (Abb. 11).“ (S. 30)
„Für die ganze Schweiz wird eine bedeutende Abnahme des Heizenergiebedarfs projiziert (Abb. 53). Die Ein­sparungen an Heizenergie und Heizkosten im Winter werden voraussichtlich höher ausfallen als der zusätz­liche Aufwand für Kühlung im Sommer (vgl. Kapitel 3.3) (CH2014-Impacts 2014).“ (S. 98)
„Die Chancen einer Steigerung der winterlichen Wasser­kraftproduktion in bestimmten Regionen (vgl. Kapitel 5.2) sind mit Blick auf die Abnahme der Produktion in den sommerlichen Trockenperioden zu relativieren. In diesen Perioden führen die sinkenden Abflussmengen mitunter zu einer Einschränkung der Wasserkraftproduktion, da auch die Einhaltung ökologischer Schwellenwerte (mi­nimale Restwassermenge) gewährleistet werden muss (FS7).“ (S. 42)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Wasser
    • Gewässerzustand von Oberflächengewässern
    • Abflussverhältnisse (von Oberflächengewässern)
    • Wasserverfügbarkeit
    • Infrastruktur an Binnengewässern

„Der Klimawandel bewirkt nicht nur eine saisonale Umverteilung der Niederschlä­ge, sondern auch die Verschiebung von festem (Schnee) zu flüssigem (Regen) Niederschlag. Weiter bewirkt er das Abschmelzen der Gletscher, die Abnahme der gespei­cherten Wassermenge in der Schneedecke und eine stei­gende Schneefallgrenze8 (Akademien der Wissenschaf­ten Schweiz 2016a). Diese Faktoren führen tendenziell zu einer Verschiebung der Abflüsse vom Sommer und Herbst in den Winter und Frühling. In Kombination mit wenig Nie­derschlag im Sommer ist darum zu erwarten, dass län­gerfristig vor allem in den Sommer- und Herbstmonaten häufigere und ausgeprägtere Niedrigwassersituationen auftreten.9 Speziell im Mittelland könnten die Niedrig­wasserabflüsse geringer ausfallen und die Niedrigwas­serperioden länger werden (BAFU 2012a).“ (S. 34)
„Situationen von Wasserknappheit dürften mit fort­schreitendem Klimawandel häufiger und ausgeprägter auftreten. Insbesondere im Sommer können sich die unterschiedlichen Folgen des Klimawandels – zuneh­mende meteorologische Trockenheit und reduziertes Schmelzwasserdargebot (siehe die Einleitung zu Kapitel 4) – überlagern.“ (S. 40)
„Aufgrund des Klimawandels dürften die Niederschläge in Zukunft im Winter zunehmen und vermehrt in Form von Regen statt Schnee fallen. Da der Regen im Unterschied zum Schnee direkt über die Fliessgewässer abfliesst, werden die Abflussmengen im Winter künftig höher sein, sodass die winterliche Wasserkraftproduktion gesteigert werden kann (FS1, FS2, FS3, FS5).“ (S. 48)
„Der fortschreitende Klimawandel wird zu einer weiteren Erhöhung der Wassertemperaturen führen (BAFU 2012a). Auch Trockenperioden und Hochwasserereignisse könn­ten zunehmen. Dadurch kann sich die Wasserqualität langfristig verschlechtern und zusehends grössere Schä­den bzw. Kosten verursachen.“ (S. 75)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Landwirtschaft
    • Agrophänologie
    • Ertrag und Qualität der Ernteprodukte
    • Pflanzengesundheit
    • Produktivität in der Tierhaltung und Tiergesundheit

„Heisse und trockene Sommer dürften in Zukunft häufiger werden (MeteoSchweiz 2014a) und zunehmende Verluste verursachen. Die mögliche Zunahme von Extremereignissen (Trockenheit, aber auch Hitzewellen, Starkniederschläge, Überschwemmungen usw.) kann auch zu einer Verminderung der Fruchtbarkeit der Böden und zu einer verstärkten Auswaschung oder Erosion führen (BLW 2011). Zudem dürften mit häufigeren Trockenperioden die Betriebskosten in der Landwirtschaft ansteigen, unter anderem weil höhere Kosten für die Bewässerung und die Schädlingsbekämpfung anfallen.
Die Auswirkungen des Klimawandels führen zu einer bedeutenden Zunahme des Risikos im Mittelland. Im Jura, wo der Karst-Untergrund bereits heute eine geringe Speicherfähigkeit aufweist, wird eine moderate Zunahme des Risikos erwartet. In den höheren Lagen (Voralpen und Alpen), wo die Niederschläge ergiebiger sind, sowie in der Südschweiz wird mit einem geringen Anstieg des Risikos gerechnet (Abb. 14).“ (S. 35)
„Generell können sich der Anstieg der Durchschnittstem­peratur und die damit einhergehenden Veränderungen für viele Pflanzen (z. B. Raps, Soja, Reis, Tafeltrauben) posi­tiv auswirken. Hingegen wird es in Zukunft im Mittelland schwieriger werden, Hafer und insbesondere Winterwei­zen zu kultivieren (OcCC/ProClim 2007, Akademien der Wissenschaften Schweiz 2016a).“ (S. 102)
„Für die Periode um 2060 wird eine moderate Zunahme der Beeinträchtigung der Tiergesundheit für das Mittelland und eine geringe Zunahme im Rest der Schweiz erwar­tet. In den Agglomerationen, wo die Nutztierhaltung nicht vorhanden ist, sind nur Heimtiere gefährdet, im Fall von Zoonosen jedoch auch der Mensch. Das Risiko wird im Mittelland als prioritär eingestuft (Abb. 47).“ (S. 91)
„Die höheren Mitteltemperaturen werden zu einer längeren und früher beginnenden Vegetationsperiode führen. Bis 2060 könn­te die Dauer der Vegetationsperiode, abhängig von der Höhenlage, um rund 50 Tage zunehmen (MeteoSchweiz 2014a). Zudem wird sich die Vegetationsgrenze in höhere Lagen verschieben (FS5, FS8).“ (S. 97)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Wald- und Forstwirtschaft
    • Vitalität / Mortalitätseffekte

„Da die Trockenheit ein Faktor ist, der das Ausbrechen von Waldbränden begünstigt, dürfte die Zunahme der Häu­figkeit und Intensität der Trockenperioden die Eintritts­wahrscheinlichkeit von Waldbränden insgesamt erhöhen. […]Der Anstieg der Waldbrandgefahr ist in den Alpen und in der Südschweiz – den von solchen Ereignissen am stärksten betroffenen Regionen – moderat. Im Tessin wird ein Anstieg der Zahl der Waldbrände um 25 Prozent erwartet (FS7). In der übrigen Schweiz (mit Ausnahme der Agglomerationen, wo dieses Risiko nicht relevant ist) dürfte der Anstieg des Risikos aufgrund des Klimawan­dels gering sein (Abb. 16).“ (S. 38)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Tourismuswirtschaft
    • Touristisches Angebot
    • Touristische Nachfrage

„Der Anstieg von Schneefallgrenze und Mitteltempera­turen führt zu einer Verringerung der Schneesicherheit14 und zu einer Verkürzung der Wintersaison, was wieder­um Ertragseinbussen zur Folge hat (FS3, FS8). Vor allem der Schneemangel während der Festtage am Jahresen­de (Weihnachten/Neujahr) hat massive Auswirkungen auf die Bilanzen der Tourismusorte […].Auf internationaler Ebene kann sich ein Ausweichen der Kundschaft für die Schweiz po­sitiv auswirken, da sie aufgrund ihrer Höhenlage mehr Schneesicherheit bietet als die umliegenden Länder.“ (S. 46)
„Der Anstieg der Mitteltemperaturen und die häufiger auf­tretenden Hitzeperioden, die Verlängerung der Sommer­saison, die Abnahme der sommerlichen Niederschläge sowie die punktuelle Entstehung neuer Seen aufgrund des Abschmelzens der Gletscher sind Veränderungen, die günstige Bedingungen für zunehmende Erträge im Sommertourismus schaffen könnten.“ (S. 100)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Bevölkerungsschutz

„Die potenzielle Zunahme von Personenschä­den wird aber für die ganze Schweiz als prioritäres Ri­siko eingestuft (Abb. 30), da Todesfälle irreversibel sind und bisherige Erfahrungen mit Hochwasser und Stürmen darauf schliessen lassen, dass ihre Häufung infolge des Klimawandels nicht ausgeschlossen werden kann.“ (S. 55)
„Die möglichen klimabedingten Veränderungen der Sach­schäden von 100-jährlichen Hochwasserereignissen sind in Abbildung 31 dargestellt. Gemäss den Fallstu­dienergebnissen und der Übertragung der Resultate auf alle Grossräume könnten das Mittelland und die grossen Agglomerationen von den Veränderungen stark betroffen sein (bedeutende Veränderung).“ (S. 57)
„Aufgrund der klimabedingten Veränderung sowie den weiteren Bewertungskriterien wird die Zunahme der Sachschäden [durch Massenbewegungen] in den Alpen, Voralpen und der Südschweiz als prioritäres Risiko eingestuft (Abb. 35).“ (S. 63)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Biologische Vielfalt
    • Arten und Populationen
    • Biotope, Habitate, Ökosysteme

„Der Klimawandel beeinflusst die Biodiversität in der Schweiz auf unterschiedliche Weise auf allen Ebenen der Diversität (Ökosysteme, Arten, Gene, Interaktionen zwischen und unter den Arten). Die steigenden Tem­peraturen und das veränderte Niederschlagsregime, Hitze- und Trockenperioden, die Beeinträchtigung der Wasser-, Luft- und Bodenqualität, die Ausbreitung von Schadorganismen, Krankheiten und gebietsfremden Ar­ten führen zu einer Veränderung der Lebensräume, der Artenzusammensetzung sowie der Landschaft und damit zu einer Veränderung der Biodiversität. […]Je nach den Lebensräumen, den Arten und den diesen zugeschriebenen Werten, kann der Klimawandel sowohl ein Risiko als auch eine Chance für die Biodiver­sität darstellen.“ (S. 79)

Methodischer Ansatz

Kurzbeschreibung des methodischen Ansatzes 

„Aufgrund der vielfältigen Topografie und der Ei­genheiten dicht besiedelter Räume wurden für die Risiko­analyse sechs Grossräume definiert und pro Grossraum ein bis zwei Fallstudien mit dieser Methode durchgeführt (Abb. 59). Grundlage für die vorliegende Synthese bilden die acht Fallstudien (FS1 – FS8)27. Deren Resultate wurden in ei­nem ersten Schritt auf die Grossräume übertragen. In einem zweiten Schritt wurden die identifizierten Risiken und Chancen unter Berücksichtigung von weiteren Krite­rien priorisiert. Den Fallstudien und der darauf aufbau­enden Synthese liegt damit ein einheitlicher, konsistenter methodischer Ansatz zugrunde.“

Analysekonzeptansatz kein Ansatz genannt
Komponenten im Analysekonzept  Sensitivität, Räumliches Vorkommen, Vulnerabilität, Chancen und Risiken, Anpassungskapazität
Methodik zur Operationalisierung Quantitative Wirkmodelle (z.B. Abflussmodelle), Qualitative Informationen (z.B. Experteninterviews), Andere Methoden

Wer war oder ist beteiligt?

Herausgeber Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Kontakt 

Christine Hofmann (BAFU), Andrea Burkhardt (BAFU), Josef Eberli (BAFU), Stephan Müller (BAFU), Rolf Manser (BAFU), Hans Romang (BAFU)

Bibliographische Angaben 

Köllner P., Gross C., Lerch J., Nauser M. 2017: Klimabedingte Risiken und Chancen. Eine schweizweite Synthese. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 1706: 148 S.

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Handlungsfelder:
 Bevölkerungs- und Katastrophenschutz  Biologische Vielfalt  Energieinfrastruktur  Industrie und Gewerbe  Landwirtschaft  Menschliche Gesundheit und Pflege  Tourismuswirtschaft  Wald- und Forstwirtschaft  Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft