Lenkung von Gästen durch Gebote und Verbote

Weg an der Küste wird durch einen Zaun abgerenztzum Vergrößern anklicken
Schutz durch Wegabgrenzung
Quelle: dihetbo / Adobe Stock

Inhaltsverzeichnis

 

Lenkung von Besucherinnen- und Besucherströmen durch Gebote und Verbote

Durch den ⁠Klimawandel⁠ verändern sich die Rahmenbedingungen für den Tourismus, was sich auch auf die touristische Nachfrage auswirken kann. Dafür sind neben dem Klimawandel jedoch eine Vielzahl an weiteren Faktoren ausschlaggebend. Vorhersagen zu zukünftigen Entwicklungen sind daher mit Unsicherheiten behaftet. Dennoch kann das Zusammenspiel verschiedener Faktoren im Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen zu einer Veränderung von Reisegewohnheiten und einer Verlagerung von Reiseströmen führen. Dadurch können schützenswerte Gebiete zunehmend beeinträchtigt werden. Im Winter beispielsweise gewinnen neben dem klassischen, pistenbasierten Skitourismus das Schneeschuhwandern und Skitourengehen an Bedeutung. Beide Sportarten sind nicht direkt an eine bestimmte Infrastruktur gebunden, weshalb es in allen hierfür genutzten Gebieten zu einer Beeinträchtigung von Wildtieren und Schäden an den Pflanzen unterhalb der Schneedecke kommen kann. 
Die Kanalisierung und Lenkung von Besucherinnen und Besuchern ist eine notwendige Maßnahme, um auf einen veränderten Nutzungsdruck zu reagieren und Attraktivitätsverluste zu vermeiden. Des Weiteren kann eine Gefährdung der Sicherheit der Gäste (z. B. Lawinen, Steinschlag, Küstenabbruch, ...) Lenkungsmaßnahmen erforderlich machen. Dies hat insbesondere vor dem Hintergrund fehlender Lokalkenntnisse der Reisenden eine große Bedeutung. 

Gesetzliche Grundlagen:
Nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) § 59 Abs. 1 ist grundsätzlich das „Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung […] allen gestattet.“ Dies wird teilweise in den Naturschutzgesetzen der Länder genauer festgelegt. Das Betretungsrecht für Wege kann in Bayern beispielsweise „aus Gründen des Naturschutzes, zur Durchführung von landschaftspflegerischen Vorhaben, zur Regelung des Erholungsverkehrs oder aus anderen zwingenden Gründen des Gemeinwohls“ (BayNatSchG Art. 31 Abs. 1) durch die Naturschutzbehörden temporär oder dauerhaft beschränkt werden. Auch die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer oder sonstige Berechtigte können das Betretungsrecht einschränken, sofern dafür gesetzliche Gründe vorliegen. Eine Sperrung muss durch Verbotsschilder, Zäune, Mauern o.ä. für die Allgemeinheit kenntlich gemacht werden, ansonsten ist diese unwirksam. In Schleswig-Holstein ist eine befristete Sperrung mit Genehmigung der Gemeinde möglich bzw. kann diese auch durch die Gemeinde selbst angeordnet werden.
Die sogenannte Verkehrssicherungspflicht liegt bei den Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern oder der Person, die Kunstbauten auf dem Grundstück erbaut hat. Diese können für atypische Gefahren haftbar gemacht werden, nicht aber für typische Gefahren bei Benutzung des Weges (je nach Art/Verlauf des Weges z. B. abbrechende Äste, Steinschlag, Unebenheiten im Gelände o.ä.). Beispiele für atypische Gefahren sind künstliche Hindernisse oder Kunstbauten wie Brücken oder Stege. Sofern die für die Verkehrssicherheit verantwortliche Person aber Kenntnisse über eine mögliche Gefahrenquelle erhält, trägt diese das Haftungsrisiko, auch wenn es sich um eine typische Gefahr handelt.

Empfehlungen:
Eine Lenkung der Gäste mittels Ge- und Verbote kann zur Bündelung von Besucherinnen- und Besucherströmen, der Begrenzung der Gästezahl, der zeitlichen und/oder räumlichen Trennung von Aktivitäten oder der Regulierung von bestimmten Freizeitaktivitäten beitragen. Eine verbreitete Strategie zielt auf die Konzentration von Tourismusströmen ab. Bei einem übermäßig hohen Besucherinnen- und Besucherdruck kann aber auch eine stärkere Dispersion ein angestrebtes Ziel sein.
Generell ist für den Erfolg eines Lenkungskonzeptes ausschlaggebend, dass eine gute Mischung zwischen attraktiven Angeboten und Information (s. Maßnahme “Lenkung von Besucherinnen- und Besucherströmen durch Informationen und gezielte Angebote“) und Ge- bzw. Verboten gefunden wird. Dazu müssen die Vor- und Nachteile von sogenannten weichen oder indirekten Maßnahmen (attraktive Angebote, Besucherinformation, …) und harten oder direkten Maßnahmen (Ge- und Verbote) im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Harte Maßnahmen sollten möglichst nur dann erfolgen, wenn weiche Maßnahmen keinen Erfolg versprechen. Eine Ausnahme besteht bei einer Gefährdung der Sicherheit der Wegenutzerinnen – und nutzer. Sofern die Gefahrenquelle nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand beseitigt werden kann, sind hier in den meisten Fällen harte Maßnahmen vorzuziehen. Ähnlich verhält es sich bei einer akuten Gefährdung von Schutzgebieten oder einem starken Besucherdruck. Dabei sollte geprüft werden, ob flexible Ge- oder Verbote (z. B. zeitlich befristet) zusammen mit einem entsprechenden ⁠Monitoring⁠ durchgesetzt werden können. Dies ist sinnvoll, da sich die Rahmenbedingungen, die eine Besucherlenkung erforderlich machen, ändern können. Dies kann z. B. die Veränderung von Gefahrenquellen oder die Veränderung der Gefährdung schützenswerter Arten (entweder durch die Veränderung der Besucherfrequenz oder die Ansiedlung neuer Arten in einem Gebiet ) sein.

Vor- und Nachteile von harten und weichen Maßnahmen:
Weiche Maßnahmen ermöglichen eine größere Selbstbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer und wirken generell eher langfristig. Daher ist es besonders wichtig, diese möglichst genau auf die Wünsche und Ansprüche der zu lenkenden Zielgruppe abzustimmen.
Harte Maßnahmen ermöglichen es, relativ kurzfristig Erfolge erzielen zu können. Allerdings können diese von den Touristinnen und Touristen als eine Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit wahrgenommen werden und daher eher auf Ablehnung stoßen. Neben einem hohen Rechtfertigungsaufwand erfordern harte Maßnahmen daher einen entsprechenden Aufwand für die Kontrolle der Einhaltung bzw. eine Sanktionierung von Verstößen, um wirksam zu sein. Die Akzeptanz der Ge- oder Verbote kann erhöht werden, wenn der zu lenkenden Besucherinnen- und Besuchergruppe in nachvollziehbarer Weise Informationen über die Notwendigkeit der Maßnahme vermittelt werden.

 

Hauptverantwortliche Institution (Maßnahmenträger):

Untere Naturschutzbehörde, Grundbesitzerinnen und Grundbesitzer, Destinationsmanagementorganisation

 

Zu beteiligende Akteure:

Naturschutzverbände, Naturschutzbehörde, Raumplanung, Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Natur- oder Wanderführung, Wandervereine, Alpenverein, touristische Vereine, ...

 

Klimawandelfolgen:

Zunahme klimatisch beeinflusster Extremereignisse, Temperaturanstieg und saisonale Verschiebung der Niederschlagsmuster, Abnahme des Schneeniederschlags, Veränderung der Schneequalität, Verkürzung der Schneedeckendauer

 

Verwendete Steuerungsinstrumente:

Besucherlenkungskonzept, Beteiligungsverfahren, Geländebegehung, naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren

 

Hindernisse und Lösungen:

Durch die Erläuterung der Hintergründe einer harten Lenkungsmaßnahme kann das Verständnis der Gäste hierfür gewonnen werden. Dies wird aber erschwert, wenn die Lenkungsmaßnahme als unzumutbar oder zu stark einschränkend wahrgenommen wird. Daher muss stets Wert darauf gelegt werden, angemessene Alternativen zu gesperrten Wegen oder Gebieten aufzuzeigen. Zudem muss beachtet werden, dass rund 10 % der Besucherinnen und Besucher als „lenkungsresistent“ einzustufen sind. Dazu zählt insbesondere die lokale Bevölkerung aufgrund von Gewohnheiten und genauer Ortskenntnisse, aber auch größere Gruppen sind eher schwerer zu lenken. Eine weitere Schwierigkeit sind Unsicherheiten über die genauen Auswirkungen von besucherlenkenden Maßnahmen, weshalb im Voraus unklar ist, ob die gewünschte Wirkung erreicht werden kann. Hier können genaue Kenntnisse über die zu lenkende Zielgruppe (Besucherinnen- und Besucherzahlen, Besucherinnen- und Besucherverteilung (räumlich und zeitlich), typische Aktivitäten, Erwartungshaltung, Ortskenntnisse) sowie die Berücksichtigung zukünftiger Trends, z. B. bei der Entwicklung von Besucherinnen- und Besucherzahlen, dazu beitragen, dass die getroffenen Maßnahmen tatsächlich zielführend sind.

 

Kosten:

Für die Umsetzung einer Besucherinnen- und Besucherlenkung durch Ge- und Verbote müssen finanzielle Mittel für die Anbringung von Schildern, Informationstafeln oder Absperrungen eingeplant werden. Personalkosten werden für die laufende Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften fällig.

 

Ökologische Aspekte:

Durch Ge- und Verbote können Besucherinnen- und Besucherströme gezielt kanalisiert und in weniger sensible oder schützenswerte Gebiete gelenkt werden. Durch die höhere Nutzungsfrequenz dieser Wege können dort zwar die negativen ökologischen Folgen zunehmen, andererseits kann dadurch eine Gefährdung anderer ökologisch wertvoller Gebiete vermieden oder verringert werden.

 

Sozio-ökonomische Aspekte:

Eine gute Besucherlenkung vereint Naturschutz- und Sicherheitsaspekte mit den Ansprüchen der Wegenutzerinnen und -nutzer, wodurch insgesamt eine höhere Qualität des touristischen Angebotes sichergestellt werden kann. Maßnahmen, die aus Gründen einer sicheren Wegenutzung getroffen werden, können von den Gästen positiv wahrgenommen werden. Dies könnte insbesondere vor dem Hintergrund eines steigenden Sicherheitsbedürfnisses an Bedeutung gewinnen. Dabei ist aber entscheidend, dass durch eine gezielte Kommunikation die Akzeptanz für Maßnahmen, die mit Einschränkungen für bestimmte touristische Aktivitäten verbunden sind (z. B. Sperrung von Wegen, Betretungsverbote), sichergestellt wird.

 

Quellen:

Dieser Vorschlag für eine ⁠Anpassungsmaßnahme⁠ ist ein Ergebnis des Forschungsvorhabens „Folgen des Klimawandels für den Tourismus in den deutschen Alpen und Mittelgebirgsregionen und Küstenregionen sowie auf den Badetourismus und flussbegleitende Tourismusformen (z. B. Radwander- und Wassertourismus) “.

 

Zusätzliche Anregungen: