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Disclaimer: Dieser Artikel ist ein Beitrag im Rahmen der Konferenz "Innenraumluft 2024" und spiegelt nicht die Meinung des Umweltbundesamtes wider. Für die Inhalte sind die genannten Autoren und Autorinnen verantwortlich.
Autor*innen
Sabine Weber-Thumulla und Jörg Thumulla
anbus analytik GbmH Fürth / AGÖF e.V.Empfohlene Zitierweise: Weber-Thumulla, S., Thumulla, J. (2024). Gerüche in Innenräumen: Auswertung und Bewertung von Geruchsbegehungen in Innenräumen mittels AGÖF-Geruchsleitfaden. Beitrag A15 zur Fachtagung „Innenraumluft 2024 - Messen, Bewerten und Gesundes Wohnen“, 6.-8. Mai 2024, Dessau-Roßlau. https://www.umweltbundesamt.de/irl2024-a15
Gerüche in Innenräumen: Auswertung und Bewertung von Geruchsbegehungen in Innenräumen mittels AGÖF-Geruchsleitfaden
Einleitung
Gerüche in Innenräumen können bei Raumnutzenden Beschwerden verursachen und Bedenken hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen auslösen. Die Bewertung von Geruchsbelästigungen ist komplex, da sie u.a. stark von persönlichen und kontextuellen Faktoren abhängt. In Deutschland sind gesunde Innenraumluft und der Schutz vor Geruchsbelästigung Teil der Bauvorschriften der Bundesländer. Diese Vorschriften verlangen, dass Gebäude so gebaut und instandgehalten werden, dass sie keine unzumutbaren Belästigungen verursachen.
Gerüche oder Geruchsbelästigungen haben neben Beschwerden häufig Änderungen des Verhaltens der Raumnutzenden (z.B. Vermeiden der beanstandeten Räume) zur Folge und zeigen sich auch in körperlichen Symptomen (wie Kopfschmerzen oder Übelkeit) und/oder emotionalem Stresserleben ausgelöst durch Angst und Wut.
Für die Bewertung von Gerüchen in Innenräumen - beispielsweise von Wohn-, öffentlichen und Bürogebäuden - haben sich zwei Methoden durchgesetzt:
Erstmals auf dem AGÖF-Kongress 2010 in Nürnberg wurde der AGÖF-Geruchsleitfaden als Entwurf zur öffentlichen Diskussion vorgestellt und 2013 in seiner jetzigen Form veröffentlich. Er beschreibt ein einheitliches Vorgehen bei einer sogenannten Geruchsbegehung, einer sensorischen Bewertung von Geruchsereignissen in Innenräumen. Im Vordergrund steht die sensorische Bestimmung und Bewertung des Raumgeruchs mit Hilfe der Parameter Intensität, Hedonik und Akzeptanz. Durch Erfassen dieser Parameter werden ergebnisoffene Aussagen über die Geruchssituation getroffen, da keine Vorgaben zu Fehlgerüchen gemacht werden. Zentrales Prüfmittel ist hierbei die menschliche Nase, bzw. die geschulten Nasen des Prüfenden-Panels. Die so gewonnenen Daten machen eine statistische abgeleitet Geruchsbewertung möglich.
Der AGÖF-Geruchsleitfaden kommt zum Einsatz, wenn chemisch analytisch kein Gefahrstoff nachgewiesen werden kann (keine Überschreitung RWII), aber ein Störgeruch vorhanden ist. Eine Geruchsbegehung kann z.B. eine wirtschaftliche Methode sein, problematische Räume in Gebäudekomplexen zu identifizieren, mit dem Ziel, nur dort weitere Probenahmen durchzuführen.
Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) hat ein Konzept zur Ermittlung von Geruchsleitwerten (GLW) entwickelt, das auf experimentell bestimmten Geruchsschwellen (ODT50) basiert. Diese Schwellenwerte werden verwendet, um die Beschwerden über eine Geruchsbelästigung als plausibel einzustufen. Das Konzept der GLW geht davon aus, dass Beschwerden über eine Geruchsbelästigung ab einer Geruchsstoffkonzentration geäußert werden, also wenn die Geruchsintensität I = Stufe 3 („deutlicher Geruch“) erreicht wird. Für diesen Fall wird ein stufenweiser Ansatz zur Reduzierung der Geruchsbelastung empfohlen. Dabei ist es nicht das Ziel, vollständig geruchsfreie Innenräume zu schaffen, sondern eine Reduktion der Gerüche auf ein akzeptables Maß zu herbeizuführen.
Während das Konzept der Geruchsleitwerte nur angewendet werden soll, wenn Beschwerden über Geruchsbelästigungen vorliegen, kann der AGÖF-Leitfaden auch zur Zertifizierung von Innenräumen mit guter oder sehr guter Raumluftqualität verwendet werden.
Vorgehen nach AGÖF-Geruchsleitfaden
Insbesondere wenn in beanstandeten Räumen chemisch-analytisch keine geruchsaktiven Substanzen nachweisbar sind, empfiehlt sich eine olfaktorische Prüfung und Bewertung. Die Wahrnehmungen der Prüfpersonen werden mit Hilfe eines Fragebogens erfasst.
Während einer sensorischen Geruchsprüfung ist es wichtig, einen ruhigen und ungestörten Ablauf zu gewährleisten. In den zu prüfenden Räumen sollten sich keine weiteren Personen aufhalten. Ebenso sind weitere Geruchsquellen wie Duftspender, aber auch akustische und visuelle Reize möglichst zu vermeiden. Um den Eintrag von Gerüchen in die zu prüfenden Räumen auszuschließen, sind die Prüfpersonen angehalten, keine Duftstoffe, Rasierwasser, Deo, Parfums etc. zu benutzen. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Prüfpersonen mindestens zwei Stunden vor der sensorischen Begehung auf scharfes Essen und Trinken (außer Wasser) verzichten, da dies die Wahrnehmungs-fähigkeit beeinflusst. Am Tag der Prüfung sollten Raucherinnen und Raucher nicht rauchen und frisch gewaschene Kleidung tragen.
Die Prüfpersonen tauschen sich während der sensorischen Begehung nicht miteinander aus. Dabei ist auch auf die Mimik zu achten, so dass Geruchsbewertungen möglichst frei von gegenseitiger Beeinflussung erfolgt.
Zuerst wird die Intensität der Raumluft anhand einer 6-stufigen Skala bestimmt. Hierfür kalibrieren die Prüfpersonen ihre olfaktorische Wahrnehmung zuvor mit n-butanol-Standard. Bei der Beurteilung der Intensität wird eine Kategorienskala von 0 bis 5 mit einer Abstufung von 0,25 verwendet. Um eine Vergleichbarkeit der Geruchsintensität zu gewährleisten, erfolgt wenige Minuten vor der Geruchsprüfung eine geruchliche Kalibrierung der Prüfpersonen.
Anschließend wird die Hedonik der Raumluft auf einer Skala von -4 (äußerste unangenehm) bis +4 (äußerst angenehm) bewertet. Die Hedonik ist ein subjektiver Wertmaßstab, der von den individuellen Erfahrungen und Vorlieben und der kulturellen Prägung der einzelnen Prüfperson abhängig ist. Die Beurteilung der Hedonik erfolgt als Eindruck unmittelbar nach Betreten des Raums nach einer ganzzahlig skalierten und ungeteilten Strecke von äußerst unangenehm (-4) bis äußerst angenehm (+4).
Als letztes bewerten die Prüfpersonen die Akzeptanz der Raumluft im Kontext der Raumnutzung. Die Akzeptanz beschreibt das Annehmen einer Situation ohne sie ändern zu wollen, die vorgefundene Raumsituation stimmt mit den Erwartungen an die Umgebung überein. Die Situation ist so hinnehmbar. Dies kann in schwierigen und unangenehmen Situationen durchaus herausfordern sein. Das Gegenteil ist Ablehnung. Akzeptanz ist immer situativ oder situationsbezogen und integriert alle wesentlichen Einflussfaktoren. Sie ist damit immer kontextgeprägt. Sie berücksichtigt die Raumwidmung und -nutzung (Beispiel; ein Lagerraum mit geruchsauffälligen Gegenständen wird nur sporadisch und kurz betreten und erfährt deshalb eine ausreichende Akzeptanz). Für die Akzeptanz wird ein dichotomer oder binären Wert mit einer Ausprägung von -1 (klar inakzeptabel) bis 1 (klar akzeptabel) erfasst. Die Frage lautet: "Stellen Sie sich vor, Sie müssten in Ihrem täglichen Lebens-umfeld diesen Raum entsprechend seiner Bestimmung nutzen. Würden Sie den Geruch in diesem Raum unter Berücksichtigung der gegebenen Raumnutzung/-widmung als akzeptabel betrachten?"
Die Einzelurteile der Parameter Intensität, Hedonik und Akzeptanz werden anschließend statistisch ausgewertet. Somit werden über die Mittelwerte der erfassten Parameter die subjektiven Einzel-urteile intersubjektiviert. In einem weiteren Schritt kann mit Hilfe der errechneten Akzeptanzmittel-werte die Anzahl derer, die die Raumluftqualität in dem zu untersuchenden Raum voraussichtlich nicht akzeptieren, bzw. sich durch diesen belästigt oder gestört fühlen, ermittelt werden. Hierzu sieht der AGÖF-Geruchsleitfaden die Verwendung des PD-Wertes1 vor.
1Der Begriff PD-Wert ist in der einschlägigen Literatur zu Raumklimabindungen eingeführt und wird verwendet, obwohl seine wörtliche Übersetzung den ermittelten Sachverhalt nicht wiedergibt. Zutreffender ist eine Umschreibung „voraussichtlich werden X % der Raumnutzenden die Geruchssituation nicht annehmen, wie sie ist, und wünschen sich Veränderungen“ oder „X % der Raumnutzenden beurteilen die Geruchsqualität im Raum voraussichtlich als nicht akzeptabel“, denn der hier berechnete Wert ist ein Gradmaß der Akzeptanz und nicht der Zufriedenheit.
Von der Akzeptanzbewertung zum PD-Wert2
Der diskrete PD-Wert
Der diskreter Akzeptanzwert ist wenig anschaulich, da die einfache, statistische Auswertung des Mittelwerts über alle Prüfpersonen erstmal wenig aussagekräftig ist. Die Regelwerke der thermischen Behaglichkeit und die Literatur zur Geruchsbewertung führen nutzen hierfür den PD-Werts (PD = percentage dissatisfied). Für die Berechnung eines diskreten PD-Wertes wird die Anzahl derer, die die Raumluftqualität als nicht akzeptable einstufen (Akzeptanz < 0) durch die Gesamtanzahl der Prüfpersonen dividiert. Der diskreten Skala liegt eine Ja/Nein-Entscheidung zugrunde.
2Der Begriff PD-Wert ist in der einschlägigen Literatur zu Raumklimabindungen eingeführt und wird verwendet, obwohl seine wörtliche Übersetzung den ermittelten Sachverhalt nicht wiedergibt. Zutreffender ist eine Umschreibung „voraussichtlich werden X % der Raumnutzenden die Geruchssituation nicht annehmen, wie sie ist, und wünschen sich Veränderungen“ oder „X % der Raumnutzenden beurteilen die Geruchsqualität im Raum voraussichtlich als nicht akzeptabel“, denn der hier berechnete Wert ist ein Gradmaß der Akzeptanz und nicht der Zufriedenheit.
Der stetige PD-Wert
Aufgrund der geringen Informationsdichte der diskreten ja/nein-Bewertung werden für verlässliche Bewertungen vergleichsweise große Prüferpaneels ab ca. 15 Probanden benötigt (VDI 4302 Blatt 1). Die Erfassung der Akzeptanz mit einer stetigen Skala von -1 bis +1bietet dagegen eine deutlich höhere Informationsdichte als die diskrete ja/nein-Entscheidung. I Deshalb sieht der AGÖF-Geruchsleitfaden die Verwendung der Formel von Gunnarsen und Bluyssen zur Ermittlung eines stetigen PD-Wertes aus dem Mittelwert der Akzeptanz vor, was auch in der VDI 4302 beschrieben wird. Die Formel verwendet das Modell der logistischen Regression, um die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses zu modellieren und beschreibt den empirisch ermittelten Zusammenhang zwischen dem Mittelwert der Akzeptanz und dem PD-Wert. Dadurch lassen sich Geruchssituationen mit einer geringen Anzahl von Prüfenden im Panel erfassen und bewerten. Im Zuge der Überarbeitung des AGÖF-Geruchsleitfadens wurde die Formel mit Praxisdaten von AGÖF-Instituten überprüft und eine Anpassung diskutiert.3
Die aus praktischen Untersuchungen gewonnenen Daten werden hierbei einer gewichteten Regression unterzogen. Dabei wurden die %-Werte der Akzeptanzbewertung logistisch transformiert4.
Dabei zeigt sich, dass sich die logistischen Regressionen der aus der Untersuchung von Innenräumen gewonnenen Daten signifikant von der aus Baustoffdaten gewonnenen Regression unterscheidet.
3Die anbus analytik GmbH Fürth stellte Daten zur sensorischen Untersuchung von Innenräumen nach AGÖF-Leitfaden zur Verfügung, das Bremer Umweltinstitut stellte Daten aus der sensorischen Bewertung von Baustoffen zur Verfügung.
4Hierfür gilt unser Dank Herrn Prof. Dr. Kundi aus Wien, der dies für uns durchgeführt hat. Verwendet wurden hierfür 123 Mittelwerte aus Raumluftbewertungen (= 1144 Einzelurteile) und 128 Mittelwerte aus Baustoff-bewertungen (= 1486 Einzelurteilen).
Dies führt sowohl für Innenräume als auch für Baustoffe zu geänderten Angaben für den Achsen-abschnitt und den Anstieg im Exponenten. Das Konfidenzintervall der neuen Regression ist so eng, dass die Regression von Gunnarsen und Bluyssen bereits außerhalb liegen, obwohl die Kurven sich graphisch und in Bezug auf den vorhergesagten PD-Werte kaum unterscheiden.
Grenzwertbetrachtung des stetigen PD-Wertes
Um die Messunsicherheit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, ist es ausgehend von einer Normalverteilung sinnvoll, Konfidenz¬intervalle für bestimmte Parameter anzugeben. Hierfür wird um den ermittelten PD-Wert ein Konfidenzintervall aufgespannt und ein Grenzwert festgelegt (15%, 20%, 30% 40% und 50%; siehe Tabelle 1: Bewertungsvorschlag der AGÖF). Auf Basis eines stetigen PD-Wertes wird die Standardabweichung durch Ableitung des PD-Wert stetig mit der Standabweichung des Mittelwertes berechnet.
Im nächsten Schritt wird eine Überprüfung der Grenzwerte mit Hilfe von z-Tests durchgeführt. Dazu wird eine einseitige Fragestellung (Nullhypothese) formuliert. Sie sollte möglichst so formuliert werden, dass diese abgelehnt wird und damit die Alternativhypothese mit einer zu definierenden Irrtumswahrscheinlichkeit α (= 10%) angenommen werden kann. Die Nullhypothese ist wie folgt definiert:
Gilt: x (PD-Wert stetig) < μ0 (zu prüfender Grenzwert) kann die Nullhypothese mit der Irrtumswahrscheinlichkeit α abgelehnt werden. Und es bestätigt sich folgende Alternativhypothese: x (PD-Wert stetig) > μ0 (zu prüfender Grenzwert).
Somit überschreitet bei Bestätigung der Alternativhypothese der PD-Wert den zu prüfenden Grenzwert.
Diese Grenzwertprüfung wird beidseitig für das sichere Einhalten der Kategoriengrenze durch¬geführt. Dadurch kann entschieden werden, ob die Grenzen einer Kategorie sicher überschritten oder sicher unterschritten sind oder ob aufgrund zu hoher Streuung keine Aussage möglich hierüber möglich ist.
Der Bewertungsvorschlag der AGÖF
Im AGÖF-Geruchsleitfaden werden für den PD-Wert unter Einbeziehung weiterer Normen wie der DIN EN 15251 2012, ihrer Nachfolgenorm DIN 16798-1 2022 und der ISO 16000-41: 2023 (E) ein differenzierter fünfstufiger Bewertungs¬vorschlag vorgestellt, der den Anforderungen verschiedener Rechtsgebiete Rechnung trägt:
- Hohe und mittlere Raumluftqualität (grün): die Raumluftqualität ist anhand der Bewertungs-kriterien nach VDI 4302 Blatt 1 als mittel oder hoch einzustufen. Dies bedeutet, dass im Mittel voraussichtlich weniger als 15 % bzw. 20% der Nutzenden die Geruchssituation nicht akzeptieren werden.
- Schlechter als übliche/erwartbare Geruchsbelästigung (hellgelb): Ein zu erwartendes Nicht-Akzeptieren der Räume durch die Nutzenden von mehr als 20% ist als schlechter als üblich oder als schlechter als erwartbar zu bezeichnen.
- Nur für zeitlich begrenzte Nutzung akzeptabel (orange): In Innenräumen der Kategorie III nach DIN EN 15251 2012-125 wird im Mittel mit einem vorausgesagten Nicht-Akzep¬tieren der Nutzer*innen von mehr als 30% ausgegangen. Ab einem PD-Wert von mehr als 30% ist in Innenräumen ein Aufenthalt nur für einen begrenzten Zeitraum zumutbar.
- Unzumutbare Geruchsbelästigung (rot): Von einer unzumutbaren Geruchsbelästigung, also einer nicht mehr tolerierbaren Belastung, ist spätestens dann auszugehen, wenn ein PD-Wert von 50% überschritten wird. An Arbeitsplätzen können regelmäßige (stündliche) Lüftungs¬vorgänge als zumutbare Maßnahmen zum Schutz gegen schädliche Einflüsse in Betracht kommen. In Wohnräumen ist aufgrund der Nutzergewohnheiten (z.B. Schlafen) stündliches Lüften nicht zumutbar und der ungelüftete Zustand als Bewertungszustand heranzuziehen.
Im letzten Schritt wird um den ermittelten PD-Wert wie oben beschrieben ein Konfidenzintervall aufgespannt, um die von der AGÖF vorgeschlagenen Grenzwert mit einer definierten Irrtums-wahrscheinlichkeit das Über- und Unterschreiten der Grenzwerte geprüft.
5Die Norm wurde zurückgezogen, die Nachfolgenorm beschreibt die Kategorien allerdings weniger konkret.
Ein Beispiel
Zwei Sporteinrichtungen eines Betreibers verwenden optisch identische Schutzeinrichtungen in Form großflächiger Protektoren aus einem Gummigemisch. Jedoch werden nur in einer Halle unangenehme Gerüche beanstandet, die andere dient als Referenzhalle. Mit einem Panel von sechs Prüfpersonen werden jeweils die Eingangshalle, die Sporthalle unmittelbar nach dem Betreten sowie erneut nach einer Verweildauer von 10 Minuten und abschließen einer üblichen sportlichen Betätigung von ca. 20 Minuten bewusst berochen und die Ergebnisse in Fragebögen notiert. Den Prüfpersonen war bei der sensorischen Prüfung nicht bekannt, welches die beanstandete Halle war. Zusätzlich wurden Material- und Raumluftproben untersucht.
Die Auswertung der Mittelwerte der Intensitäten ergab für alle Geruchsmesspunkte eine niedrige Raumluftqualität nach VDI 4302. In beiden Hallen sind deutliche Gerüche wahrnehmbar, die Ursache sind hohe Konzentrationen an Benzothiazol (Halle 1: 24 µg/m3, Halle 2: 13 µg/m3, ODT 3,4 µg/m3, GLW 66 µg/m3). Die Auswertung der Mittelwerte der Hedonik zeigt, dass im Kontext der vor-gesehenen Nutzung die Bewertung maximal eine mittlere Raumluftqualität nach VDI 4302 erreicht. Erst die Mittelwerte der Akzeptanz zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Hallen: In Halle 1 ist die Rauluftqualität nach VDI 4302 durchweg hoch, in Halle 2 durchweg niedrig. Hier werden zusätzlich die geruchsaktiven Naphthalin und Naphthalin-ähnliche Verbindungen gemessen (Halle 1: <1 µg/m3, Halle 2: 65 µg/m3, ODT 1,0 µg/m3, GLW 7,3 µg/m3).6
Folgende Mittelwerte konnte für die Parameter Intensität, Hedonik und Akzeptanz ermittelt werden.
Aufgrund der geringen Zahl der Prüfpersonen (n=6) wird die geforderte Genauigkeit der Daten nach VDI 4302 Blatt 2 nicht immer erfüllt. Auffällig ist, dass nur die Raumluftqualität der zweiten, beanstandeten Halle bei den Prüfpersonen eine geringe Akzeptanz erfährt. Gleiches bildet sich in den PD-Werten ab.
Erst eine Grenzwertbetrachtung der stetigen PD-Werte der zweiten, beanstandeten Halle gibt ein differenziertes Bild: die Raumluftqualität der Sporthalle wird weder direkt nach ihrem Betreten noch einer Verweildauer von 10 Minuten von der Hälfte der Nutzenden akzeptiert, über die Eingangshalle und nach einer üblichen 20minütigen sportlichen Nutzung ist überschreitet das Maß jeden, die die Raumluftqualität nicht akzeptieren, allerdings sicher einen Wert von 30%.
Die sensorische Begehung und Auswertung nach AGÖF-Geruchsleitfaden zeigt, das im Kontext der sportlichen Nutzung in beiden Hallen die stark vorherrschenden Gummigerüche akzeptiert werden, da sie den deutlich sichtbaren Schutzeinrichtungen zugeschrieben werden. In der zweiten Halle wurde allerdings eine verunreinigte Charge an Schutzelementen verbaut. Der daraus resultierende Fehlgeruch wird in deutlich geringerem Umfang akzeptiert. Mit der Aufenthaltsdauer nimmt die Akzeptanz zu (Adaptation).
Fazit
Die Stärke des AGÖF-Geruchsleitfadens ist seine Anwendbarkeit bei Vorliegen von Geruchsbeschwerden, wenn
- geruchsverursachende Substanzen analytisch nicht nachweisbar sind und/oder
- eine Geruchsexposition auf Substanzkombinationen zurückzuführen ist.
Er beschreibt ein Vorgehen mit einem geschulten Prüfpanel. Hierbei werden subjektive Geruchs-eindrücke intersubjektiviert. Gleichzeitig gibt es keine Vorgaben zu Fehl- oder unerwünschten Gerüchen. Der Kontext und die Geruchssituation fließen in die Bewertung ein.
Der AGÖF-Geruchsleitfaden ergänzt somit andere Ansätze zur Bewertung von Beschwerden über Geruchsbelästigungen in Innenräumen wie sie z.B. mit dem Konzept der Geruchsleitwerte (GLW) vorliegen. Die zur Veröffentlichung anstehende zweite, überarbeitet Version verfügt über wertvolle Ergänzungen wie, z.B. ein Geruchsrad zur Beschreibung von Geruchsqualitäten.
Literatur
- Geruchsleitfaden), Fassung vom 25.September 2013, online-Abruf 07.09.2022 https://www.agoef.de/orientierungswerte/agoef-geruchsleitfaden.html
- Leitfaden Gerüche in Innenräumen – sensorische Bestimmung und Bewertung; Arbeitskreis Innenraumluft des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich (2014) online-Abruf 11.09.2024 https://www.bmk.gv.at/dam/jcr:c295ef46-013d-479e-8b75-c0456434af1c/Leitfaden_Gerueche_2014.pdf
- Gunnarsen L, Bluyssen Ph (1994): Sensory Measurements Using Trained and Untrained Panels, Healthy Building 94, Budapest VDI 4302 Blatt 1
- Schmidt M., Thumulla J. (2016): Möglichkeiten und Grenzen von Geruchsbewertungsverfahren in Umwelt, Gebäude, Gesundheit – Schadstoffe, Gerüche und Sanierung – Ergebnisse des 11. Fachkongresse der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) am 17. und 18. November 2016 in Hallstadt bei Bamberg
- Sucker, K, Hameister, J, Debiak, M, Gerull, F, Schröder, K, Grams, H, Röhl, C, Brosig, L, Scutaru, A.M, David, M (2023) Bewertung von Geruchsstoffen in der Innenraumluft – Weiterentwicklung des Geruchsleitwerte-Konzeptes des AIR. Bundesgesundheitsbl 2023 · 66:452–459. https://doi.org/10.1007/s00103-023-03682-8
- David M, Sucker K, Hameister J, Gerull F, Grams H, Röhl C, Schröder K, Brosig L, Scutaru AM, Debiab M, Kolossa-Gehring M (2024): „The German approach to evaluate complaints about odour annoyance in indoor environments“, Indoor Environments 1 (2024), https://doi.org/10.1016/j.indenv.2024.100020
Danksagung: Vielen Dank an das Brember Umweltinstitut für die zur Verfügung gestellten Daten und an Herrn Prof. Dr. Michael Kundi für die Beratung zur Statistik.
Unser Dank geht auch an die Mitglieder das Arbeitskreises Gerüche in der AGÖF: Elke Bruns-Tober, Martina Clemens-Ströwer, Heidrun Hofmann, Wigbert Maraun, Sonja Pfeil, Peter Tappler und Martin Wesselmann.