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Disclaimer: Dieser Artikel ist ein Beitrag im Rahmen der Konferenz "Innenraumluft 2024" und spiegelt nicht die Meinung des Umweltbundesamtes wider. Für die Inhalte sind die genannten Autoren und Autorinnen verantwortlich.
Autor
Christian Schwarzbauer
Hochschule für angewandte Wissenschaften
Lothstr. 34
80355 MünchenEmpfohlene Zitierweise: Schwarzbauer, C. (2024). PMessung der Luftqualität im realen Schulunterricht: Präsentation von ausgewählten Ergebnissen von mehr als 60.000 Unterrichtstagen in 342 Klassenzimmern. Beitrag A10 zur Fachtagung „Innenraumluft 2024 - Messen, Bewerten und Gesundes Wohnen“, 6.-8. Mai 2024, Dessau-Roßlau. https://www.umweltbundesamt.de/irl2024-a10
Messung der Luftqualität im realen Schulunterricht: Präsentation von ausgewählten Ergebnissen von mehr als 60.000 Unterrichtstagen in 342 Klassenzimmern
Das Forschungsprojekt „Sicheres Klassenzimmer“ begann mit der Datenerhebung im September 2021. Ziel dieses Projekts war die Aufzeichnung und Untersuchung der Luftqualität während des realen Unterrichtsbetriebs. Seit dem Beginn des Projekts im September 2021 wurden die Daten von mehr als 60.000 Unterrichtstagen in 342 Klassenzimmern aufgezeichnet (Schuljahre 2021/22 und 2022/23, sowie laufendes Schuljahr 2023/24). Für den Einsatz in Schulen wurde zur Datenerfassung ein funkbasiertes IoT-System mit Cloud-Computing-Anbindung konzipiert (siehe Schwarzbauer_Beitrag A47).
Untersucht wurde die Wirkung verschiedener Lüftungsmethoden hinsichtlich Luftqualität und Infektionsschutz im realen Schulunterricht. In den untersuchten Klassenzimmern kamen folgende Lüftungsmethoden zum Einsatz: freie/natürliche Fensterlüftung, freie/natürliche Fensterlüftung kombiniert mit mobilen Luftreinigern, ventilatorgestützte Fensterlüftung, sowie zentrale und dezentrale Raumlufttechnik (RLT). Als Indikator für die Luftqualität wurde die CO2-Konzentration minutengenau aufgezeichnet und ausgewertet. Die Raumbelegung wurde über integrierte Bewegungssensoren erfasst. Aus der gemessenen CO2-Konzentration wurde ein standardisierter Virusdosisfaktor (VDF) für die Aerosol-Übertragung von Coronaviren (SARS-CoV-2) und Grippeviren (Influenza-A) berechnet.
Bei freier Fensterlüftung wurde der CO2-Leitwert von 1000 ppm während 24% der Unterrichtszeit überschritten (95-Perzentil: 1484 ppm; Maximalwert: 4599 ppm) und der Virusdosisfaktor lag während 40% der Unterrichtszeit über dem Referenzwert von 1,0 (95-Perzentil: 1,59; Maximalwert: 3,0). Durch Kombination von freier Fensterlüftung mit mobilen Luftreinigern konnte zwar der Virusdosisfaktor stark gesenkt werden, die Überschreitungen des CO2-Leitwerts blieben aber ähnlich hoch wie beim freien Fensterlüften. Mit zentraler RLT waren die CO2-Werte niedriger als bei freier Fensterlüftung, die VDF-Werte waren deutlich niedriger, aber nicht so stark reduziert wie bei Kombination der Fensterlüftung mit mobilen Luftreinigern. Ein guter Kompromiss (möglichst niedrige VDF-Werte bei gleichzeitig möglichst niedrigen CO2-Werten) ergab sich für ventilatorgestützte Fensterlüftung oder dezentrale RLT. Alle untersuchten Lüftungsmethoden zeigten in der warmen Jahreszeit bessere Ergebnisse, d.h. niedrigere CO2- und VDF-Werte, als in der kalten Jahreszeit. Am stärksten war die Verbesserung beim freien Fensterlüften ausgeprägt, was durch häufigeres bzw. längeres Lüften bis hin zum verbreiteten Dauerlüften in der warmen Jahreszeit erklärbar ist.
In 59 der untersuchten Klassenzimmer mit freier Fensterlüftung lieft die Datenaufzeichnung über den gesamten Zeitraum von September 2021 bis heute. Dies ermöglichte einen direkteren Vergleich zwischen dem Schuljahr 2021/22 (Pandemiejahr) und dem Schuljahr 2022/23 (Post-Pandemiejahr). Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man nur die Daten für die kalte Jahreszeit betrachtet (siehe Abb. 1).
Im Winter 2021/22 (Pandemiejahr) wurde während 28% der Unterrichtszeit der Leitwert von 1000 ppm überschritten; der Median lag bei 797 ppm, das 95% Perzentil der CO2-Verteilung bei 1563 ppm. Im Winter 2022/23 (Post-Pandemiejahr) wurde während 66% der Unterrichtszeit der Leitwert von 1000 ppm überschritten; der Median lag bei 1230 ppm, das 95% Perzentil der CO2-Verteilung bei 2670 ppm. Diese Ergebnisse zeigen eine deutliche Verschlechterung im Post-Pandemiejahr im Vergleich zum Pandemiejahr, was durch eine Veränderung des Lüftungsverhaltens erklärbar ist.
Für alle Lüftungsmethoden können konkrete Ansätze und Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung von Luftqualität und Infektionsschutz vorgeschlagen werden. Diese betreffen sowohl den Faktor Mensch (Nutzerverhalten, Problembewusstsein) als auch den Faktor Technik (technische Hilfsmittel, unabhängiges Monitoring sowie verbesserte Konzeption, Einstellung und Wartung).
Danksagung: Für die hilfreichen wissenschaftlichen Anregungen, Projektbeiträge und Diskussionen bedanke ich mich bei: U. Pöschl, T. Klimach, F. Helleis, C. J. Hopfe, R. S. McLeod, M. J. Zemsch und H. Wackerhage, sowie der Truma Stiftung Renate Schimmer-Wottrich für Finanzierung des Pilotprojekts.