Eine effiziente Strategie zur Verminderung von Arzneimittelrückständen in Gewässern muss vor allem auch den verantwortungsvollen Umgang mit Arzneimitteln umfassen. Ein alleiniger Fokus auf die Abwasserreinigung und die Trinkwasseraufbereitung ist nicht zielführend, auch wenn die Weiterentwicklung der Kläranlagentechnik mit Einführung einer 4. Reinigungsstufe zur Entfernung von anthropogenen Spurenstoffen ein wichtiger Baustein ist.
Entwicklung und Produktion
Im Sinne des Vorsorgeprinzips und zum Schutz von Mensch und Umwelt sollten Lösungsansätze vor allem am Beginn der Kausalkette ansetzen. So sollten Umweltaspekte möglichst bereits bei der Entwicklung von Medikamenten berücksichtigt werden, zum Beispiel im Hinblick auf verbesserte Abbaubarkeit der Wirkstoffe in Kläranlagen und in der Umwelt. Unter dem Namen „Green Pharmacy“ werden verschiedene Ansätze verfolgt, um Umweltaspekte wie ein besseres Abbauverhalten in Kläranlagen und der Umwelt schon in die Entwicklung eines Arzneimittels einzubeziehen (1). Auch neue Anwendungsformen wären denkbar, die es ermöglichen, Wirkstoffe sparsamer und gezielter zu dosieren.
Datenlücken schließen
In den letzten Jahren gab es mehrere EU-geförderte Forschungsprogramme, die die Umweltauswirkungen von Arzneimitteln untersuchten und deren Relevanz bestätigten. Trotz der deutlich zunehmenden Forschungsaktivitäten kann bis heute für eine große Anzahl an Wirkstoffen das Umweltrisiko noch nicht vollständig eingeschätzt werden. Das betrifft vor allem solche, die schon vor der Einführung der gesetzlich vorgeschriebenen Umweltprüfung auf dem Markt waren. Zu vielen dieser sogenannten Altarzneimittel gibt es wenige Umweltdaten, wobei vor allem Untersuchungen zum Verbleib in der Umwelt und zu längerfristigen Wirkungen auf Umweltorganismen fehlen. Solche Daten werden derzeit in der Regel nur bei der Neuzulassung von Arzneimitteln erhoben und nicht rückwirkend für bereits auf dem Markt befindliche Präparate. Das Umweltbundesamt setzt sich deshalb seit Jahren für die Einführung sogenannter Wirkstoff-Monographien ein, in denen für Wirkstoffe alle relevanten und behördlich geprüften Daten zusammengeführt werden, die für eine Umweltbewertung nach den gesetzlichen Vorgaben notwendig sind. Diese Sammlungen geprüfter Umweltdaten könnten in allen zukünftigen Zulassungsverfahren verwendet werden, aber auch Datenlücken für Altarzneimittel könnten in diesem Rahmen systematisch geschlossen werden.
Regelungen zum Schutz des Oberflächenwassers
Wasserressourcen bedürfen nicht nur als Lebensraum für Wasserlebewesen sondern auch als unverzichtbare Lebensgrundlage des Menschen eines besonderen Schutzes. Die rechtliche Grundlage für den Schutz der Gewässer sind die Europäische Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (EU-WRRL) und ihre Tochterrichtlinie 2013/39/EU über prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik. Diese Regelungen sind in der nationalen Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer (OGewV) festgeschrieben. Die OGewV regelt die Einstufung und Überwachung des ökologischen und des chemischen Zustands von Gewässern. Für die Beurteilung der chemischen Parameter wurden gemäß der Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik Umweltqualitätsnormen für 45 EU-weit geregelte prioritäre Stoffe festgelegt. Diese werden für die Bewertung des chemischen Zustands der Oberflächengewässer herangezogen. In Deutschland sind für 67 relevante (sogenannte flussgebietsspezifische) Schadstoffe national geregelte Umweltqualitätsnormen erlassen, die unterstützend zur Beurteilung des ökologischen Zustands Berücksichtigung finden. Bei Überschreitung dieser Normen müssen spezifische Maßnahmen zur Minderung des Eintrags der betreffenden Stoffe ergriffen werden. Arzneimittel finden sich bisher noch nicht auf den Listen. Dies soll sich bei der nächsten Überarbeitung der Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen und OGewV ändern. Das Umweltbundesamt arbeitet gemeinsam mit den Bundesländern an der Festsetzung von Umweltqualitätsnormen für einige als besonders problematisch einzustufende Arzneimittelwirkstoffe.
Mehr Infos:
Thema Flüsse,
Thema Grundwasser,
Thema Trinkwasser
Verschreibung und Abgabe
Einen wichtigen Beitrag kann und wird aber vor allem der verantwortungsbewusste Umgang mit Arzneimitteln leisten, angefangen bei einer veränderten und angepassten Verschreibungspraxis in der behandelnden Arztpraxis über die Förderung einer gesünderen Lebensweise bis hin zu einer sachgerechten Entsorgung von Arzneimittelresten durch Patientinnen*Patienten.
Mehr Infos:
Umweltaspekte bei der Verschreibung von Arzneimitteln,
Umweltaspekte bei Abgabe von Arzneimitteln
Kommunikation und Aufklärung verstärken
Zur Stärkung eines umsichtigen Umgangs mit Arzneimitteln in der Gesellschaft, bildet ein weiter ausgebautes und dauerhaftes Informationsangebot zur Thematik Arzneimittel in der Umwelt eine wichtige Grundlage. Daher verfolgt das Umweltbundesamt das Ziel, die Aufklärung hinsichtlich eines nachhaltigen Umganges mit Arzneimitteln auf verschiedenen Ebenen, beispielsweise während der Ausbildung medizinischen Personals oder der universitären Ausbildung von angehenden Ärztinnen*Ärzten bzw. Pharmazeutinnen*Pharmazeuten, voranzubringen. Diesem Ansatz folgend wurden 2024 in einem Projekt Lehrmaterialien für die universitäre Lehre sowie für Fort- und Weiterbildungen entwickelt. Darüber hinaus wurden Informationsmaterialien zur sachgerechten Entsorgung von Altmedikamenten erstellt, die insbesondere über Apotheken verbreitet werden können.
Mehr Infos:
Lehrmaterialien zu Arzneistoffen in der Umwelt,
Informationsmaterialien zu Arzneimitteln und Umwelt
Um darüber hinaus mehr Menschen erreichen zu können, sollten auch größer angelegte Aufklärungskampagnen zum Schutz von Mensch und Umwelt gefördert werden. Daher führte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Frühjahr 2020 die Kampagne "Gib der Natur nicht den Rest." Durch. Diese hatte das Ziel, die Öffentlichkeit hinsichtlich einer sachgerechten Entsorgung nichtverbrauchter Arzneimittel zu informieren und zu sensibilisieren.
Mehr Infos zur Kampagne:
www.richtigentsorgenwirkt.de.