7000 Jahre
Eine Intervention in der Umweltprobenbank zum Beuys-Jubiläum von Nina Kuttler
Eine Intervention in der Umweltprobenbank zum Beuys-Jubiläum von Nina Kuttler
“Dies ist Skulptur, die weit in die Zukunft reicht”, sagte Joseph Beuys während des Einsetzens einer der Bäume seines Werkes “7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Der Mann mit Hut und Anglerweste ließ zur documenta 1982 in Kassel 7000 Basaltstelen auf dem Friedrichsplatz auftürmen und in den folgenden Jahren abtragen, indem je ein Stein neben einem neu gepflanzten Baum platziert wurde. Ein Baum und ein Stein: Diese mehrdimensionale Raum-Zeit-Skulptur hat das Stadtbild Kassels entschieden verändert und weist auf die Zukunft hin. Denn wer eine Stadt mit Grün flutet, der denkt in größeren Dimensionen als die eines Menschenlebens. Dieses Jahr wäre Beuys 100 Jahre alt geworden.
Für die junge Künstlerin Nina Kuttler repräsentiert die Umweltprobenbank des Bundes ein ähnlich zielgerichtetes Denken. Sie hat auf Anfrage des Umweltbundesamtes im Beuys-Jubiläumsjahr eine künstlerische Intervention für die Umweltprobenbank konzipiert und gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Personal dieses besonderen Archivs realisiert. So wurden im Spätsommer die Blätter verschiedener Beuys-Bäume im Kasseler Stadtraum fachkundig eingesammelt und vor Ort im flüssigen Stickstoff eingefroren. Wochen später wurden im Labor des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie im sauerländischen Schmallenberg die Kasseler Proben in einem standardisierten Verfahren zu feinem Pulver vermahlen, in 30 Portionen abgewogen und in Cryobehältern eingelagert. Die pulverisierten Blätter der Eichen, Eschen und Ahornbäume aus Kassel lagern nunmehr für die kommenden Jahrzehnte neben weiteren Proben der Umweltprobenbank. Nina Kuttler hat die Aktion in Kassel und das Aufbereiten der Proben im Labor in zwei Videoclips dokumentiert.
Künstlerische Interventionen in wissenschaftlichen Sammlungen bieten einen Experimentierraum für die Wechselwirkungen von Kunst und Forschung. Sie rücken naturwissenschaftliche Objekte in ein anderes Licht und können neue Zugänge zu wissenschaftlichen Archiven bieten. Nina Kuttler verknüpft in ihrem Konzept ein Werk von Joseph Beuys und dessen Wirkung auf die Nachwelt mit den Aufgaben und der Arbeitsweise der Umweltprobenbank und ist zugleich eine Reflexion über unser Verhältnis zur Natur. Erste Einblicke in die Arbeit der Umweltprobenbank gewann Kuttler als Teilnehmerin des Tandem-Stipendiums, welches das UBA im Rahmen eines Forschungsprojekts 2018 ausschrieb.
Die Umweltprobenbank des Bundes verbindet das Heute mit dem Gestern und Morgen. Seit über 30 Jahren dokumentiert dieses einzigartige Archiv den Zustand der Umwelt. Tausende von Proben ausgewählter Tier- und Pflanzenarten aus ganz Deutschland werden bei einer Temperatur von < -150 Grad Celsius gelagert. Diese Proben können heute und von kommenden Generationen genutzt werden, um Umweltveränderungen nachzuweisen und zu verstehen. Für die administrative Steuerung und fachlichen Koordination der Umweltprobenbank ist das Umweltbundesamt zuständig.
Nina Kuttler ist Künstlerin und Autorin. Ihre multidisziplinäre Praxis dreht sich um ökologisches Bewusstsein und ein Gefühl der Verbundenheit zwischen Spezies, Zeit, Selbst und anderen. In ihrer Arbeit sind kulturelles Wissen und Mythologien mit historischen naturwissenschaftlichen Zugängen sowie zeitgenössischen Forschungsmethoden verwoben. Zur Zeit ist Nina Kuttler Stipendiatin der Cité Internationale des Arts in Paris.